Neben den vielen Vorteilen, die Online-Trainings haben, haben sie auch ihre Schattenseiten und bringen ganz eigene Herausforderungen für Trainer und Teilnehmer mit sich. Nachdem wir im letzten Artikel darüber geschrieben haben, welche Möglichkeiten Online-Trainings Teilnehmern und Trainer ermöglichen und dass sie Präsenzseminaren in nichts nachstehen, geht es in diesem Teil der Artikelreihe darum, welche Schwierigkeiten mit digitalem Lernen einhergehen können und welche Anforderungen an einen Online-Trainer gestellt werden.
Rollen eines Online-Trainers
Um besser zu verstehen, welche Aufgaben man als Online-Trainer jonglieren muss, werfen wir einen Blick auf die Rollen eines Online-Trainers. Wie wir im letzten Artikel bereits festgestellt haben, unterscheiden sich die Anforderungen an ein gutes Online-Training gar nicht so sehr von denen eines Präsenztrainings. Auch die Rollen und Aufgaben eines Online-Trainers sind nicht viel anders, als die eines Präsenztrainers:
- motivational-soziale Rolle: Diese Rolle unterscheidet sich nur in der Art der Umsetzung von der Rolle im Präsenztraining. Es geht darum aus einem Haufen von einzelnen Teilnehmern eine Gruppe zu formieren und aus der Gruppe ein Team zu bilden, das miteinander arbeitet und sich gegenseitig unterstützt. All das sollte in einem förderlichen Lernklima passieren. Als Trainer ist man also angehalten, zur Mitarbeit anzuregen, die Teilnehmer einzubinden und Sicherheit zu vermitteln. Gerade in Online-Trainings spielt das Sicherheitsbedürfnis der Teilnehmer eine große Rolle. Oftmals kommen Teilnehmer mit Ängsten vor der Technik ins Training oder mit Zweifeln, ob das online überhaupt funktioniert. Im ersten Schritt geht es dann darum, den Teilnehmern ihre Ängste zu nehmen und ihnen Orientierung zu geben. Im weiteren Verlauf sollte man außerdem dafür sorgen eine Gruppen-Verbundenheit zu ermöglichen, Kontakt zwischen den Teilnehmern fördern und ein gemeinsames Erleben möglich machen. Denn ein gemeinsames Training lebt vom Miteinander. In einem der nächsten Teile stellen wir dir dazu einige Methoden vor, die das Gruppengefühl fördern. Im Online-Training, vielleicht noch stärker als im Präsenztraining, sollte man als Trainer auch ein Auge auf das Wohlbefinden der Teilnehmer haben. Dies kann man unterstützen, indem man Übungen einbaut, die nicht vor dem Computer gemacht werden müssen und in Pausen explizit darauf hinweist, sich bildschirmfreie Zeit zu nehmen.
- inhaltliche Rolle: Als Trainer tritt man als Inhaltsexperte auf. Man vermittelt Wissen, beantwortet Fragen der Teilnehmer, bewertet Wissen, wenn Teilnehmer beispielsweise Anmerkungen machen, verknüpft Wissen und ordnet Inhalte ein. Dies sollte genauso wie im Präsenztraining möglichst interaktiv und involvierend geschehen.
- didaktisch-methodische Rolle: Als Trainer setzt man die Inhalte, die man vermittelt in einen großen Rahmen und schafft eine Struktur. Methoden sollten bewusst und gezielt eingesetzt werden, im Online-Training genauso wie im Präsenztraining. Teilnehmer sollen zum Mitdenken angeregt werden und ein Verstehen soll ermöglicht werden. Das gesamte Training sollte so konzipiert sein, dass es den Lernprozess der Teilnehmer bestmöglich unterstützt. Im Online-Training gehört hierzu auch das Kennenlernen der Technik. Übungen sollen verständlich angeleitet werden und durch ein passendes Debriefing kann die Lernerfahrung der Teilnehmer zusätzlich erweitert werden.
- technisch-organisatorische Rolle: Die organisatorische Rolle hat ein Online-Trainer genauso inne wie ein Präsenz-Trainer. Hierzu gehört es Materialien vorzubereiten und zu koordinieren, den Rahmen und Ablauf des Trainings sicherzustellen sowie ggf. für die Einhaltung von Regeln zu sorgen. Hinzu kommt jedoch die technische Rolle, es gilt alle Tools zu bedienen, die Teilnehmer bei technischen Problemen oder Fragen zu unterstützen, ohne dabei die Technik in den Vordergrund zu stellen. Denn auch in einem Online-Training geht es um die Teilnehmer und die Inhalte – nicht um die Technik.
Bis auf einen wesentlichen Aspekt, die Technik, sind die Rollen eines Präsenz- und Online-Trainers also sehr ähnlich. Doch genau diese zusätzliche Komponente ist auch die, die vielen angehenden Online-Trainern Sorgen bereitet. Dabei ist sie nicht die einzige Herausforderung in digitalen Trainings.
Herausforderungen in Online-Trainings
Oft sehen angehende Trainer den eigenen Umgang mit der Technik als große und einzige Herausforderung, wenn sie die ersten Trainings im virtuellen Raum geben. Doch tatsächlich birgt ein Online-Training noch einige weitere Herausforderungen, die nicht immer auftreten müssen, aber können.
Schwierigkeiten mit der Technik
Eine große Herausforderung für den Trainer, aber auch für die Teilnehmer, ist der Umgang mit der Technik. Als Trainer muss man während des Seminars zusätzlich alle technischen Tools bedienen und koordinieren (Links teilen, Dokumente öffnen, Screenshots machen, Tools öffnen, Bildschirm freigeben etc.) sowie verschiedenen Kanäle gleichzeitig betreuen (Chat, Video, Tools, Telefon, Mails etc.). Besonders für unerfahrene Trainer oder bei der Vermittlung neuer Inhalte kann dies schnell als Überforderung erlebt werden. Vor dem Training kann man dies entschärfen, indem man sich mit allen Programmen und Tools, die man benötigt, vertraut macht und vorab die Bedienung übt. Am besten in einem Setting, das so nah wie möglich am echten Training ist. Vielleicht gibt es Trainerkollegen oder Freunde, die sich über einen kleinen Workshop freuen, bei dem du üben kannst und Fehler passieren dürfen. Hilfreich ist außerdem ein ausführlicher Seminarleitfaden, in dem die verschiedenen Schritte, d.h. Programme, die man vorbereiten oder öffnen muss oder Links, die man teilen muss, gut sichtbar vermerkt sind. Während des Trainings gilt es immer einen Schritt nach dem anderen zu machen. Multitasking führt meist nur noch zu mehr Chaos und Fehlern. Erlaube dir als Trainer zwischendurch auch kurze Pausen machen zu dürfen und moderiere diese einfach kurz („Ich muss jetzt kurz das Dokument öffnen“ oder „Ich mache noch schnell einen Screenshot, es geht gleich weiter“).
Bei den Teilnehmern kann Angst vor der Technik dafür sorgen, dass sie sich zurückziehen und nur passiv teilnehmen. Besonders zu Beginn eines Online-Trainings ist es wichtig den Teilnehmern Sicherheit und Orientierung zu geben. Zu Beginn sollten die wichtigsten Funktionen in Ruhe erklärt werden. Im weiteren Verlauf kann man den Teilnehmern über kleine und eher spielerische Übungen weitere Techniken und Tools näherbringen und diese testen und ausprobieren lassen. So können Berührungsängste abgebaut werden und bei Übungen, die für das weitere Training wichtig sind, sind die Teilnehmer nicht mehr von der Bedienung der Technik abgelenkt und können sich auf die Inhalte des Trainings konzentrieren.
Natürlich tauchen immer mal wieder technische Probleme auf, sowohl auf Trainer- als auch auf Teilnehmerseite. Häufig gibt es Probleme mit Kamera oder Mikrofon oder Verbindungsabbrüche, aber auch Programme oder Tools funktionieren nicht oder nur teilweise. Das kann ein Training kurzzeitig unterbrechen oder sogar temporär lahmlegen. Um dem entgegenzuwirken, kann vorab ein Technik-Check mit den Teilnehmern gemacht werden. So kann man prüfen, ob grundlegende Funktionalitäten wie eine stabile und ausreichend schnelle Internetverbindung sowie eine funktionierende Kamera und Mikrofon gegeben sind und die Teilnehmer können das Tool, über welches das Trainings stattfindet, kennenlernen. Für die Teilnehmer sind Vorab-Infos über die benötigten Programme und die technische Ausstattung hilfreich. Auch kurze Tutorials und Erklärungen helfen Teilnehmern schneller mit der Technik zurechtzukommen und geben Sicherheit. Besonders wenn man als Trainer noch nicht viel Erfahrung im digitalen Raum hat, kann es ungemein entlastend sein einen Co-Trainer bzw. Technik-Buddy an der Seite zu haben. Dieser kann sich auch die Zeit nehmen die Probleme einzelner Teilnehmer zu beheben, was als Trainer meist nicht möglich ist. So gerät man nicht in die Situation einen Spagat zwischen Trainingsleitung, Gruppenbetreuung und Technikhilfe machen zu müssen.
Durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden und Tools ist es online oft eine Gratwanderung eine gute Balance zwischen Abwechslung und Überforderung zu halten. Zu viele unterschiedliche Methoden und Tools können besonders nicht so technikaffine Teilnehmer schnell überfordern. Gleichzeitig ist die Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmer, auch durch die vielen Ablenkungen, online potentiell noch kürzer, sodass es einer gewissen Abwechslung und Methoden- und Medienvielfalt bedarf, um die Teilnehmer am Ball zu halten. Hier ist ein gutes Gleichgewicht wichtig, das auch von Gruppe zu Gruppe variieren kann.
Begleitung der Teilnehmer
Als Trainer möchte man die Gruppe und einzelne Teilnehmer bei ihren Lern- und Veränderungsprozessen gut begleiten. Online stellt uns das manchmal vor eine größere Herausforderung als vor Ort. Online sind wir nicht so nah an den Teilnehmern dran und bekommen auch in Pausen und Übungen weniger mit.
So kann es schwieriger sein, Teilnehmer in einem schlechten Zustand zu erkennen und entsprechend aufzufangen. Man sieht die Teilnehmer nur über ein kleines Video-Bild und kann diese auch in einer Pause nicht einfach mal zur Seite nehmen. Dieses Thema zu Beginn eines Trainings proaktiv anzusprechen und die Teilnehmer auf ihre Eigenverantwortung sich Hilfe zu nehmen, anzusprechen, ist eine Möglichkeit dem vorzubeugen. Gleichzeitig hilft es als Trainer sehr aufmerksam zu sein und bei Vermutungen offen zu fragen. Zusätzlich kann man sich als Trainer präsent zeigen und in Pausen etwas länger dableiben, falls noch ein Teilnehmer Gesprächsbedarf hat.
Online ist es nicht nur schwieriger einzelne Teilnehmer im Blick zu behalten, sondern auch einen Überblick über die Gruppe zu behalten. Meist gibt es im Online-Setting keine festen „Sitzplätze“, sondern die Reihenfolge und Darstellung der Teilnehmer variiert. In Gruppenrunden ist es dann gar nicht so einfach zu wissen, wer schon dran war und wer noch nicht. Hier können Teilnehmer schneller übersehen werden. Hier gilt es als Trainer einen für sich passenden Weg zu finden, den Überblick zu behalten. Auch Wortmeldungen können eher untergehen, da nicht immer alle Teilnehmer angezeigt werden und Bewegungen nicht so sichtbar sind wie im Seminarraum. Am besten klärt man zu Beginn eines Trainings, wie Wortmeldungen am besten erfolgen sollen.
Auch wenn wir uns als Trainer bemühen, die Teilnehmer gut zu begleiten und in das Training zu involvieren, wimmeln auf Teilnehmerseite viele Ablenkungen – wesentlich mehr als in Präsenztrainings. Schon alleine auf dem Computer, vor dem die Teilnehmer die meiste Trainingszeit verbringen, gibt es viele Dinge, die Teilnehmer nebenbei machen können. Mal schnell die Mails checken, im Internet surfen, etwas für die Arbeit erledigen – den vielen Verlockungen zu widerstehen schaffen die Teilnehmer nicht immer. Ein möglichst abwechslungsreiches, interaktives und involvierendes Training, das die Teilnehmer immer wieder fordert, hilft dabei, dass die Teilnehmer aufmerksam dabei bleiben. Außerdem sind viele Teilnehmer durch die Nähe zum eigenen Zuhause, der Familie oder Arbeit verleitet das Training eher zu unterbrechen, indem sie später kommen, früher gehen, zwischendurch verschwinden oder Übungen ausfallen lassen. Hier sollte man für sich als Trainer festlegen, wie man damit umgehen möchte und wie viel Flexibilität man den Teilnehmern zugestehen möchte. Oft hilft es auch die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass ein Online-Training nicht anders ist als ein Präsenztraining und Meetings und andere Verpflichtungen möglichst außerhalb der Trainingszeit erledigt werden sollten.
Gruppengefühl fördern
Auch online sollte das Gruppengefühl gestärkt werden, da es eine wichtige Basis eines erfolgreichen Trainings ist. Dies erweist sich jedoch teilweise als schwieriger, durch die räumliche Distanz und dadurch, dass man weniger von den anderen Personen sieht und mitbekommt. Auch in den Pausen hat die Gruppe meist keinen Kontakt miteinander, was Netzwerken und Kennenlernen zwischen den Teilnehmern erschwert. Wenn man bereits bei der Konzeption des Trainings bewusst Elemente mit einbaut, die die Verbundenheit stärken und dies immer als Meta-Ziel im Hinterkopf hat, können online genauso intensive Gruppenerlebnisse entstehen wie in Präsenz-Trainings.
Herausfordernde Teilnehmer
Neben den allgemeinen Herausforderungen eines Online-Trainings begegnen einem online manchmal auch herausfordernde Teilnehmer. Neben denen, die man aus Präsenztrainings kennt, gibt es noch einige „Typen“, die insbesondere online auftauchen:
- Die Vielbeschäftigten: Sie haben immer viel zu tun und müssen während des Trainings noch private Gespräche oder berufliche Meetings führen. Sie machen es sich zur Gewohnheit später zu kommen, früher zu gehen oder zwischendurch zu verschwinden. Als Trainer gilt es hier eine gute Balance zwischen Verständnis und Regeldurchsetzung zu finden. Sonst kann es passieren, dass die Gewohnheiten nach und nach auch bei anderen Teilnehmern auftauchen.
- Die Das-geht-bei-mir-nicht-Typen: Sie kommen mit der Technik kaum zurecht und haben ständig Technikprobleme. Egal, mit welchen Tools man arbeitet, bei ihnen funktionieren sie nicht. Damit halten sich auch schnell mal die ganze Gruppe auf oder ziehen viel Aufmerksamkeit vom Trainer auf sich. Für sich als Trainer ist es hilfreich, eine gedankliche Grenze zwischen Trainer und Techniker zu ziehen und nicht zu sehr in die Techniker Rolle zu wechseln.
- Die Schwätzer: Sie sind sehr gesprächig und halten in Gruppenrunden gerne längere Monologe. Eine Sonderform in Online-Trainings sind die Chat-Schwätzer. Sie nutzen den Chat während des Trainings gerne für ihre gedanklichen Ergüsse, oft auch vollkommen losgelöst vom Seminarthema. Auch hier gilt es zu entscheiden, wie viel man zulassen möchte und wann man als Trainer eingreift.
- Die Clowns: So wie es in Präsenztrainings immer mal Teilnehmer gibt, die gerne die Gruppe unterhalten, gibt es auch in Onlinetrainings Teilnehmer, die für allgemeine Erheiterung sorgen. Sie nutzen gerne die Kamera-Effekte oder geben im Chat Witze zum Besten. Wenn dieses Verhalten überhandnimmt, lenken sie damit nach und nach die ganze Gruppe ab.
- Die Passiven: Online ist es für Teilnehmer besonders leicht unterzutauchen, in Gruppenrunden nichts zu sagen und sich in Gruppenübungen herauszuziehen. Manchmal erkennt man sie daran, dass sie sehr weit weg von der Kamera sitzen, gar nicht in die Kamera schauen oder nebenbei deutlich sichtbar private Gespräche führen oder privaten Beschäftigungen nachgehen.
Bei all diesen Typen von Teilnehmern ist es jeweils eine Abwägungssache, ab wann man eingreifen möchte. Diese Entscheidung ist abhängig vom jeweiligen Kontext und der spezifischen Situation und natürlich der Persönlichkeit des Trainers.
Dieser Blogartikel hat dir die „Schattenseiten“ von Online-Trainings aufgezeigt. Damit möchten wir dich nicht abschrecken, aber aufzeigen, dass Online-Trainings für den Trainer ebenso fordernd sein können wie Präsenztrainings und genauso viel Kompetenz auf verschiedenen Ebenen verlangen. Wenn du als Trainer online unterrichten möchtest, ist, wie auch für das Training im Seminarraum, eine fundierte Trainer-Ausbildung eine wichtige Basis. Außerdem empfehle ich dir die Teilnahme an verschiedenen Online-Trainings, Webinaren oder Infoabenden. Als Teilnehmer bekommt man ein gutes Gespür dafür, was online funktioniert und was nicht. Du kannst an dir selbst beobachten, ob du während des Trainings abschaltest oder voll dabei bist, ob sich ein Gruppengefühl entwickelt oder du dich allein vor deinem Bildschirm fühlst, wie gut die Inhalte bei dir hängen bleiben und wie der Trainer mit Herausforderungen umgeht. Außerdem kann man sich hier und da neue Methoden oder Tools abschauen. Diese Lernerfahrungen brauchst du dann nur noch auf dein eigenes Training zu transferieren. Im nächsten Artikel zeigen wir dir, was man bei der Konzeption eines Online-Trainings beachten sollte und welches Setting es als Online-Trainer braucht.
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