Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in allen Lebensbereichen vorangetrieben. Die Zahlen von Online-Diensten, beispielsweise für Dating, Sportkurse, Musik- oder Videostreaming, aber auch Weiterbildungen sind gestiegen. Fast jeder Fünfte nutzt eLearning-Angebote1. Circa 70 % der Unternehmen investieren in digitale Weiterbildungsangebote. Und dieser Wandel wird nicht mehr aufzuhalten sein. Viele Trainer standen mit Beginn der Pandemie vor der Herausforderung, ihre Trainings von einem Tag auf den anderen in Online-Trainings umwandeln zu müssen. Aus der Not ist inzwischen eine Tugend geworden und als professioneller Trainer gehört es zum Repertoire, Trainings auch online umsetzen zu können. Unternehmen und Auftraggeber fordern dies vermehrt, schließlich gehen mit Online-Trainings viele Vorteile einher. Aber natürlich auch Herausforderungen und Schwierigkeiten, sowohl für Trainer als auch für Teilnehmer.
Wir standen 2020, wie viele andere Institute und Trainer, vor der Herausforderung unsere Ausbildungsangebote auf online umstellen zu müssen oder gar nicht mehr trainieren zu dürfen. Wie viele andere waren auch wir zu Beginn skeptisch gegenüber Trainings im virtuellen Seminarraum. Würde es online ebenso möglich einen persönlichen Kontakt herzustellen, Raum für tiefgreifende Veränderungsprozesse zu eröffnen und ein Gruppengefühl zu schaffen? Neben solchen grundlegenden Fragen beschäftigte unsere Trainer auch, wie man Inhalte online ebenso abwechslungsreich und interaktiv vermittelt und auf welchem Weg man Methoden aus dem Präsenztraining online anwenden kann. Inzwischen blicken wir auf viele Online-Trainingstage und komplette Online-Ausbildungen zurück und möchten unsere Erkenntnisse und Lernerfahrungen in dieser Artikelreihe über Online-Trainings mit dir teilen. Denn wir haben erlebt, dass online ebenso nachhaltiges Lernen, tiefe Veränderungen und ein großartiges Gruppengefühl möglich sind.
Warum Online-Trainings?
Auch wenn inzwischen wieder Präsenzseminare möglich sind, gibt es viele gute Gründe Trainings auch online anzubieten. Online-Trainings sparen Zeit und Kosten, für Anreise, Unterkunft und Raummiete, nicht nur auf Trainerseite, sondern auch für die Teilnehmer. Gleichzeitig werden durch entfallende Fahrten Ressourcen geschont, was auch der Umwelt zugutekommt. Und da die Notwendigkeit eines Raumes entfällt, ist man als Organisator flexibler in der Gruppengröße. Für die Teilnehmer ist eine ortsunabhängige Teilnahme möglich, egal ob vom Büro, von Zuhause oder auf Reisen. Überall, wo es Internet gibt, ist eine Teilnahme möglich. Damit erschließt auch du als Trainer dir einen größeren Teilnehmerkreis. Trainings können zeitlich flexibler gelegt werden, z.B. in Form von mehreren kleineren Blöcken, was für den Lernerfolg förderlich ist. Insgesamt sind sie für alle Beteiligten damit oft besser vereinbar mit Familie und Beruf. Viele Trainer berichten, dass sie viel mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen können und wieder mehr Zeit und Raum für ihr Privatleben haben, da Anreisen und viele Nächte in Hotels entfallen. Teilnehmer können Online-Trainings besser in ihren (Berufs-)Alltag integrieren und fallen nicht ein oder mehrere Tage komplett aus. Gerade für Teilnehmer mit Kindern, Tieren oder anderen Verpflichtungen ist dies ein großer Pluspunkt. Die Vorteile auf Teilnehmerseite kommen auch dir als Trainer zugute, da es mehr Teilnehmern möglich ist, an deinen Trainings teilzunehmen. Aber natürlich haben Online-Trainings neben ihren Licht- auch Schattenseiten. Mehr darüber erfährst du im nächsten Artikel.
Grundbegriffe rund um Online-Trainings
Online-Trainings, eLearning, Blended Learning und viele weitere Begriffe schwirren im Bereich digitales Lernen umher. Einige Begriffe werden synonym benutzt, andere uneinheitlich. Für ein besseres Verständnis klären wir hier die wichtigsten Grundbegriffe:
- eLearning meint grundsätzlich alle Lernszenarien, die durch digitale Medien unterstützt werden, z.B. Webinare, Online-Kurse, Selbstlernkurse, Apps etc.
- Synchrone Angebote, sind Lernszenarien und Trainingselemente, bei denen die Teilnehmer zeitgleich teilnehmen und kommunizieren, z.B. Webinare, Chat, Telefon
- Asynchrone Angebote, sind Lernszenarien und Trainingselemente, bei denen die Teilnehmer zeitversetzt und zeitlich flexibel teilnehmen können, z.B. Selbstlernkurse, Foren, E-Mail
- Blended Learning meint eine Kombination von Präsenz- und Onlineteilen in Trainings, die Online-Teile können dabei sowohl synchron, als auch asynchron durchgeführt werden. Blended Learning unterscheidet sich nach der Verteilung von Online- und Präsenzelementen, der Reihenfolge dieser Elemente, sowie der Art und Umsetzung der Online-Angebote.
- Hybrid Learning meint Trainings, bei denen die Teilnehmer entweder vor Ort oder online teilnehmen können. Alle Teilnehmer (egal ob online oder Präsenz) nehmen jedoch synchron zur gleichen Zeit teil. Die Online-Teilnehmer sind in der Regel online dazugeschaltet und können per Kamera das Training im Präsenzraum verfolgen und im Optimalfall können beide Teilnehmergruppen auch miteinander und mit dem Trainer interagieren und interaktiv mitarbeiten. Hybride Trainings sind bspw. bei umfassenden Trainings über einen längeren Zeitraum sinnvoll, wenn nicht immer alle Teilnehmer vor Ort teilnehmen können. Der Aufwand diese professionell und lernförderlich umzusetzen, ist jedoch höher als bei reinen Online- oder Präsenztrainings.
- Unter Online-Trainings werden in der Regel Live-Online-Veranstaltungen verstanden, bei denen Trainer und Teilnehmer live und interaktiv miteinander arbeiten. Dies geschieht meist in einem virtuellen Seminarraum über verschiedenste Meeting- oder Konferenztools.
- Der Begriff Webinar wird oft mehrdeutig genutzt. In der Regel ist damit eine Online-Veranstaltung gemeint, bei der ein Dozent Inhalte vermittelt und die Teilnehmer eher eine passive Rolle einnehmen. Dementsprechend sind die Teilnehmerzahlen bei Webinaren teilweise sehr hoch.
Wir konzentrieren uns in den folgenden Artikeln auf Live-Online-Trainings und deren Umsetzung.
Funktionieren Online-Trainings?
Vielleicht stellst du dir auch die Frage, ob man neben allen Vorteilen, die Online-Trainings so mit sich bringen, bei Online-Trainings genauso viel lernt wie bei einem Seminar vor Ort. Auch die Wissenschaft untersucht diese Frage seit einiger Zeit. Inzwischen gibt es viele Studien aus den unterschiedlichsten Bereichen, die Präsenztrainings mit Online-Trainings vergleichen. Egal, ob es um reinen Wissensaufbau, praktisches Wissen oder Persönlichkeitsveränderung geht – Online-Trainings haben denselben Effekt wie Face-to-Face-Trainings2. Diese Behauptung stelle Thomas Russell schon 1999 mit seiner Arbeit über „The No Significant Difference Phenomen“ (dt. Das kein signifikanter Unterschied Phänomen) auf3. In dieser Arbeit analysierte er über 350 Studien aus dem Zeitraum von 1928 bis 1999, die die Unterschiede zwischen Fernunterricht und Präsenzunterricht untersuchten. Er kam zu dem Ergebnis, dass es keinen signifikanten Unterschied im Lernerfolg zwischen Fern- und Präsenzunterricht gibt. Auch wenn es zu Zeiten der Studien noch kein Internet oder eLearning im heutigen Sinne gab, gibt das Ergebnis doch einen Hinweis darauf, dass das Medium bei Lernprozessen lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. In den folgenden Jahren wurden unzählige Studien und Meta-Analysen veröffentlicht, die konkret eLearning-Szenarien untersuchten. Von Live-Online-Trainings, über verschiedenste Blended-Learning-Szenarien bis hin zu asynchronen eLearning-Angeboten, wurde inzwischen die gesamte Bandbreite digitaler Lernmöglichkeiten auf die Probe gestellt. Auch Thomas Russell hat dieses Thema weiterverfolgt. Inzwischen ist auf seiner Website eine der größten Studiensammlungen zu den Unterschieden von Online- und Präsenztrainings entstanden. Und auch die Mehrheit moderner Untersuchungen stützt die These von Thomas Russell – Lernen funktioniert mithilfe digitaler Medien genauso gut wie durch Präsenzangebote. Auch wenn einige Studien zu anderen Ergebnissen kommen, lässt sich doch die Anzahl der Hinweise auf die Gleichwertigkeit von eLearning und dem traditionellen Klassenzimmer nicht mehr leugnen. Tatsächlich häufen sich inzwischen sogar Belege dafür, dass Blended-Learning-Szenarien zu besseren Lernerfolgen führen, als reine Präsenzseminare4.
Was macht gute Online-Trainings aus?
Nicht nur der Lerneffekt ist bei Online- und Präsenz-Trainings sehr ähnlich. Auch in Bezug auf andere Aspekte unterscheiden sich Online-Trainings von Präsenz-Trainings grundsätzlich gar nicht so sehr, wie man vielleicht denkt. Die meisten Elemente, die ein Präsenz-Training gut machen, gelten auch für Online-Trainings. Angelehnt an die Suggestopädie lassen sich für Online-Trainings folgende Punkte festhalten, um ein Training zu schaffen, das Lernen, Miteinander und Spaß ermöglicht:
- Haltung: Als Trainer sollte man präsent und menschlich sein, genauso wie in Präsenztrainings auch. Zwischen Trainer und Teilnehmern sollte ein positiver, wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander etabliert werden, sodass dieser auch zwischen den Teilnehmern entstehen kann. Als Trainer befindet man sich auf Augenhöhe mit den Teilnehmern, trotz der eigenen Expertenrolle.
- Zustand: Als Trainer ist es unsere Aufgabe die Teilnehmer in einen konzentrierten, aufmerksamen, aktivierten, angstfreien und gleichzeitig entspannten Zustand zu bringen. Damit sind sie in einem optimalen Zustand, der nachhaltiges Lernen und Veränderung ermöglicht.
- Gruppengefühl: Ein Training lebt von einem guten Gruppengefühl, da so soziales Lernen in einer kooperierenden Gruppe möglich ist, anstatt Selbstlernen. Denn genau das ist einer der großen Vorteile von Gruppentrainings gegenüber autodidaktischem Lernen. Die Verbundenheit zwischen den Teilnehmern schafft man durch gemeinsame Erfahrungen, geteilte Emotionen und echten Austausch zwischen den Teilnehmern.
- Rhythmisierung: Im Training wechseln sich passive Lernphasen, in denen die Teilnehmer z.B. zuhören und Inhalte aufnehmen, mit aktiven Lernphasen, z.B. Gruppenarbeiten oder Übungen, ab. Dies gilt sowohl im Großen, also auf die großen Elemente des Trainings bezogen, als auch im Kleinen, also innerhalb der Elemente eines Trainings. Es ist nicht nur sinnvoll, wenn sich Vortrag und Übung abwechseln, sondern wenn auch im Vortrag passive Phasen durch aktive unterbrochen werden, z.B. durch Fragen an die Teilnehmer, ein gemeinsames Brainstorming oder eine kurze Tuschelgruppe.
- Involvierung: Neben der Beteiligung der Teilnehmer in aktiven Lernphasen sollten die Teilnehmer grundsätzlich in den Lernprozess einbezogen werden. Ein Training von Anfang an interaktiv und involvierend zu gestalten, verhindert, dass die Teilnehmer in eine Konsumentenhaltung gehen. Stattdessen sollen sich die Teilnehmer als Gestalter des Lernprozesses erleben und sich durch praktische Erfahrungen beteiligt fühlen.
- Multisensorik: Als NLPler sind wir uns der verschiedenen Repräsentationssysteme und Lerntypen bewusst. Die Teilnehmer auf möglichst vielen Kanälen abzuholen und anzusprechen gilt nicht nur in Präsenz-Trainings, sondern ganz besonders in Online-Trainings. Visuelle, auditive und kinästhetische Elemente einzubinden und so ganzheitliches Lernen und eine vielfältige Abspeicherung von Inhalten zu ermöglichen, ist die Kunst des Online-Trainierens.
- Abwechslung: Neben multisensorischer Aufbereitung verbessert auch abwechslungsreiches Lernen die Informationsverarbeitung und -speicherung. Dies erreicht man durch Medien- und Methodenvielfalt. Den verschiedenen Möglichkeiten, um abwechslungsreich zu trainieren, widmen wir uns in den folgenden Artikeln.
- Erfahrungsorientierung: Erst wenn die Teilnehmer praktische Erfahrungen sammeln, macht dies den Trainingsinhalt erlebbar und vor allem umsetzbar. Anwenden, Üben und Erleben sind auch im Online-Training wesentlich, um die Teilnehmer zu befähigen das Gelernte umsetzen zu können.
Die Punkte zeigen, dass in Online-Trainings ähnliche Grundsätze gelten, wie für Trainings vor Ort. Welche Besonderheiten es bei der Konzeption von Online-Trainings gegenüber Präsenz-Trainings zu beachten gilt, erfährst du in einem der nächsten Artikel. Im zweiten Teil unserer Artikelreihe verrate ich dir aber erst einmal, welche Rollen es als Online-Trainer einzunehmen gilt und mit welchen Herausforderungen man in Online-Trainings umgehen muss. Vielleicht hast du bis dahin auch Lust die Vorteile von Online-Trainings kennenzulernen und selber zu erleben, was online alles möglich ist.
Quellen:
- https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Seit-Corona-Ausbruch-Online-Dienste-gefragt-wie-nie
- Means, B., Toyama, Y., Murphy, R., & Baki, M. (2013). The effectiveness of online and blended learning: A meta-analysis of the empirical literature. Teachers college record, 115(3), 1-47; Nguyen, T. (2015). The effectiveness of online learning: Beyond no significant difference and future horizons. MERLOT Journal of Online Learning and Teaching, 11(2), 309-319; Gegenfurtner, A., & Ebner, C. (2019). Webinars in higher education and professional training: a meta-analysis and systematic review of randomized controlled trials. Educational Research Review, 28, 100293.
- The no significant difference phenomenon: As reported in 355 research reports, summaries and papers. North Carolina State University, 1999.
- Means, B., Toyama, Y., Murphy, R., Bakia, M., & Jones, K. (2009). Evaluation of evidence-based practices in online learning: A meta-analysis and review of online learning studies; Pei, L., & Wu, H. (2019). Does online learning work better than offline learning in undergraduate medical education? A systematic review and meta-analysis. Medical education online, 24(1), 1666538.
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