Was ist das wichtigste Ziel eines Trainers bzw. eines Trainings? Eine schöne Zeit gestalten, ein gutes Feedback bekommen, dass die Teilnehmer Spaß haben oder dass die Teilnehmer etwas lernen? Welche Antwort würdest du als Trainer oder Teilnehmer geben? Wann hätte sich die Investition an Zeit und Geld für dich als Teilnehmer gelohnt? Wann kannst du als Trainer sagen, dass dein Training erfolgreich war?
Oberstes Ziel sollte immer die Anwendung des Erlernten, auch nach dem Training, sein. Vielleicht protestiert ein innerer Anteil in dir gerade, der sagt, dass es doch auch wichtig ist, dass alle Teilnehmer zufrieden sind und Spaß hatten. Doch wenn du, egal ob als Trainer oder Teilnehmer, mehrere Stunden oder Tage in einem Training verbracht hast, und alles was anschließend davon übrig bleibt, eine schöne Erinnerung ist – Wie wertvoll war das Training dann wirklich?
Transfer in Trainings
Jeder Trainer vermittelt Inhalte, die die Teilnehmer später in ihrem Alltag oder Berufsleben anwenden sollen. Beim Verkaufstraining sind das beispielsweise entsprechende Kommunikationstechniken, die man verwendet. Im NLP sind es Formate, die man für verschiedene Themen anwenden kann und eine Haltung, die in das gesamte Leben einfließt. Bei The Work ist es der Prozess der 4 Fragen und Umkehrungen und eine andere Einstellung zu den eigenen Gedanken. Diesen Prozess nennt man Transfer: die Anwendung des im Training erworbenen Wissens, der Fähigkeiten und Einstellungen in der Praxis. Ein hochpriorisiertes Ziel eines gut konzipierten Trainings sollte die Unterstützung des Transfererfolgs sein. Denn wenn die Teilnehmer das Gelernte nicht anwenden, hat das Training keinen langfristigen Mehrwert.
Tatsächlich ist der durchschnittliche Transfererfolg von Trainings laut Studien erschreckend gering. Nur ca. 15 % der Teilnehmer wenden das Gelernte an, 15 % probieren es gar nicht erst aus und die restlichen 70 % probieren es zwar aus, lassen es aber bald wieder sein. Angenommen als Trainer unterrichtet man eine Seminargruppe von 12 Teilnehmern. Von diesen 12 Teilnehmern wenden also lediglich zwei Teilnehmer die Trainingsinhalte auch wirklich an. Acht Teilnehmer probieren es immerhin, geben allerdings wieder auf oder der Versuch geht im Trubel des Alltags und aufgrund der eingefahrenen Gewohnheiten einfach unter. Zwei Teilnehmer kommen nach dem Training nach Hause, stellen ihre Trainingsunterlagen in die Ecke und das war’s. Deshalb ist es als Trainer wichtig zu wissen, wie man den Transfererfolg unterstützen kann, sodass die Teilnehmer die Inhalte auch für sich nutzen.
Transferforschung hat ein Transferproblem
Der Frage, wie man den Transfererfolg verbessert, widmet sich die Transferforschung seit über 100 Jahren. Doch auch die Transferforschung hat, ironischerweise, ein Transferproblem. Die wertvollen Erkenntnisse werden von Trainern und in Trainings kaum genutzt. Dagegen möchten wir mit diesem Blogartikel etwas unternehmen. Und du als Trainer kannst, als einer der wenigen, die Erkenntnisse in deine Trainings einfließen lassen. Aber auch als Teilnehmer ist es spannend die Transferfaktoren zu kennen, denn viele davon sind von dir beeinflussbar. Und du kannst so schon vor deinem Training überprüfen, wie gut die Chancen stehen, dass das Training einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Die Transferforschung hat im Laufe der Zeit über 100 Faktoren gefunden und untersucht, die den Transfererfolg beeinflussen. Viel zu viele, um sie alle in einem Training berücksichtigen zu können. Die gute, oder vielleicht auch schlechte, Nachricht ist aber, dass viele der Faktoren vom Trainer gar nicht beeinflussbar sind, wie z.B. die Intelligenz, Alter oder Lernfähigkeit deiner Teilnehmer, die Organisationsstruktur und das Arbeitsklima der Teilnehmerorganisationen oder die Identifikation der Teilnehmer mit ihrer Organisation. Schließlich wird für die wenigsten Trainings ein IQ-Test oder ein Organigramm des Arbeitgebers als Zugangsvoraussetzung verlangt. Es bleiben allerdings noch genügend Faktoren übrig, die wir als Trainer, als auch als Teilnehmer, beeinflussen können.
Ina Weinbauer-Heidel hat im Rahmen ihrer Dissertation die Transferfaktoren und ihre Anwendung untersucht und aus der existierenden Forschung 12 Stellhebel abgeleitet, die den Transfererfolg signifikant verbessern und die man als Trainer beeinflussen kann. In ihrem Buch Was Trainings wirklich wirksam macht, stellt sie die Stellhebel vor und erläutert Möglichkeiten, wie Trainer die Stellhebel in ihren Trainings berücksichtigen können. In diesem Blogartikel findest du eine übersichtliche Zusammenfassung über die 12 Stellhebel. Wenn du tiefer einsteigen möchtest, empfehlen wir dir das Buch oder unsere Trainer-Ausbildung, dort widmen wir uns an einem Tag dem Thema Transferwirksamkeit.
Vorab ist zu ergänzen, dass sich ein Großteil der Transferforschung auf Trainings im Kontext von Organisationen bezieht, in denen Mitarbeiter geschult werden. Deshalb ist im Zusammenhang mit den Stellhebeln oftmals von Organisationen, Kollegen und Vorgesetzten die Rede. Wenn du Trainings in einem anderen Kontext gibst oder an ihnen teilnimmst, lass dich davon nicht abschrecken. Viele der Stellhebel kann man ganz einfach in andere Kontexte transferieren, aber dazu später mehr.
Die 12 Stellhebel der Transferwirksamkeit
Die 12 Stellhebel teilen sich in drei Bereiche: Aspekte in Bezug auf die Teilnehmenden, in Bezug auf das Trainingsdesign und in Bezug auf die Organisation der Teilnehmer.
Stellhebel in Bezug auf Teilnehmende sind folgende:
- Transfermotivation
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung
- Transfervolition
Stellhebel in Bezug auf das Trainingsdesign sind folgende:
- Erwartungsklarheit
- Inhaltsrelevanz
- Aktives Üben
- Transferplanung
Stellhebel in Bezug auf die Organisationen der Teilnehmer sind folgende:
- Anwendungsmöglichkeit
- Persönliche Transferkapazität
- Unterstützung durch Vorgesetzte
- Unterstützung durch Peers
- Transfererwartung in Unternehmen
Für jeden Stellhebel gibt es nun zahlreiche Maßnahmen, die man vor, während oder nach dem Seminar als Trainer einsetzen kann. Vor der konkreten Trainingskonzeption gibt es aber noch eine wichtige Frage, mit der man sich auseinandersetzen sollte: das Transferziel des Trainings. Was machen die Teilnehmenden nach dem Training anders oder besser? Was ist das erfolgskritische Verhalten, das nach dem Training umgesetzt werden soll? Das Transferziel sollte so konkret wie möglich formuliert sein. Die konkreten Transferziele kann man auch in der Ausschreibung und Vermarktung seiner Trainings gut einsetzen. Statt bei einem Verkaufstraining zu schreiben „Sie steigern ihre Verkaufskompetenz“, könnte man schreiben „Sie steigern ihre Abschlussquote um 20 %, indem Sie Abschlusstechniken im Verkaufsgespräch einsetzen“. Der zentrale Baustein, an dem sich das Trainingskonzept ausrichtet, ist dabei das Transferziel bzw. die Transferziele. Jeder einzelne Baustein eines Trainings sollte die Erreichung des Transferziels unterstützen.
Die eigentliche Trainingskonzeption erstreckt sich im Sinne der Transferwirksamkeit nicht nur auf das Training, sondern auch auf die Zeit vor sowie nach dem Training. Wenn das Training aus mehreren Teilen besteht, können Transfer-fördernde Maßnahmen auch zwischen den einzelnen Teilen eingesetzt werden. Das Training teilt sich außerdem auf in:
- den Trainingsbeginn, der genutzt wird, um die Teilnehmer auf das Thema Transfer einzustimmen,
- den Hauptteil des Trainings, der die Inhalte umfasst, die umgesetzt werden sollen und der genutzt werden kann, um das Thema Transfer bewusst zu halten und immer wieder zu vertiefen,
- den Trainingsabschluss, der die Transferplanung umfassen sollte.
Als Trainer hat man also viele Möglichkeiten und Momente den Transfer zu unterstützen und auch als Teilnehmer kann man selber Einfluss darauf nehmen, wie sehr man von den Trainingsinhalten profitiert. Bis wir im nächsten Blogartikel die 12 Stellhebel im Detail vorstellen, könntest du überlegen, wie du als Trainer oder Teilnehmer die 12 Stellhebel berücksichtigen könntest und für mehr Transferwirksamkeit in Trainings sorgen kannst.
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