Jeden Tag begleiten uns Tausende verschiedene Gedanken, wir denken fast unaufhörlich. Hast du schon einmal genauer hingehört, welche Gedanken dich durch deinen Tag oder vielleicht auch schon seit langer Zeit durch dein Leben begleiten? Es kann sehr hilfreich sein, deine Gedanken einmal genauer unter die Lupe zu nehmen – und genau das möchten wir in diesem Beitrag tun.
In Teil 1 des Blogbeitrags zeige ich dir, wie du ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen kannst, indem du lernst, einschränkende und belastende Gedanken zu hinterfragen. Dabei stelle ich dir den kraftvollen Prozess, die vier zentralen Fragen und drei Umkehrungen von The Work nach Byron Katie vor. Diese werden dich darin unterstützen, mehr Klarheit über deine Gedanken zu gewinnen und neue Sichtweisen zu entwickeln.
Negative Gedanken und Glaubenssätze transformieren mit The Work nach Byron Katie
The Work wurde von Byron Kathleen Reid (inzwischen Mitchell) in den 80er-Jahren entwickelt. Byron Katie, wie sie sich selbst nennt, litt Jahre lang an einer schweren Depression. Bis sie eines Morgens eine lebensverändernde Erkenntnis hatte – und entdeckte, dass sie nur litt, wenn sie glaubte, etwas sollte anders sein, als es ist. Sie erkannte, dass solche Gedanken, mit denen sie versuchte, die Welt um sich herum zu verändern, Ursache für ihre Probleme waren. Aus dieser Erkenntnis entwickelte Byron Katie den Prozess von The Work, mit dem es möglich ist, belastende Gedanken zu hinterfragen und neue positive Sichtweisen zu entwickeln.
Die Methode hinter The Work basiert auf der Beobachtung, dass jeder Mensch Erfahrungen im Leben unterschiedlich wahrnimmt, bewertet und auf diese anders reagiert. Je nachdem, wie wir eine bestimmte Situation beurteilen, wirkt sich dies auf unser Wohlbefinden und unsere Handlungen aus. So kann ein neuer Job beispielsweise für eine Person mit dem Glaubenssatz „Ich kann das nicht“ und ängstlichen Gefühlen einhergehen, wohingegen eine andere Person eine neue Arbeitsstelle als Chance dazuzulernen oder als Neubeginn ansieht.
Wie Byron Katie einmal sagte, haben wir folglich zwei Möglichkeiten, unseren Gedanken zu begegnen: „Entweder glaubst du, was du denkst, oder du hinterfragst es“. Indem wir lernen, Gedanken oder Glaubenssätze zu hinterfragen und umzukehren, die bei uns unangenehme Gefühle erzeugen und die uns belasten oder einschränken, verändert sich unsere Perspektive und damit unser gefühlter Zustand.
Zu neuen Perspektiven in 4 einfachen Schritten
The Work folgt einer klaren Struktur und kann schnell erlernt und von jedem angewendet werden. Alles, was du dafür benötigst, ist die Offenheit, neue Sichtweisen auszuprobieren und deine Gedanken und Gefühle bewusst und ehrlich zu reflektieren. Dabei kannst du jedes Thema betrachten, egal ob es schon viele Jahre zurückliegt, dich aktuell beschäftigt oder du dir Gedanken über deine Zukunft machst.
Der Prozess von The Work besteht aus folgenden vier Schritten:
- Identifikation des Gedankens
- Hinterfragen des Gedankens mithilfe der 4 Fragen
- Finden von Umkehrungen & Beispielen
- Integration stimmiger Umkehrungen in dein Leben
Für ein besseres Verständnis der Methodik werde ich die einzelnen Schritte von The Work nachfolgend anhand des Beispiels der Trennung einer langjährigen Beziehung veranschaulichen. Du bekommst zudem die Gelegenheit, selbst an deinen eigenen Themen zu arbeiten. Bitte nimm dir hierfür ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand, damit du deine neu gewonnenen Erkenntnisse notieren kannst.
Erkenne den einschränkenden Gedanken
Der erste Schritt besteht darin, zu erkennen, welcher Gedanke negative Emotionen in dir auslöst und dich in deinem Leben einschränkt. Dabei kann es sich um einen Gedanken handeln, der sich um dich selbst oder eine andere Person dreht oder eine bestimmte Situation betrifft.
Um ein besseres Gefühl für den Prozess von The Work zu bekommen, möchte ich dich einladen, nun selbst aktiv zu werden. Suche dir eine Situation, die dich aktuell oder auch seit längerer Zeit beschäftigt. Eine Situation, in der du dich unwohl gefühlt hast, in der du verärgert, wütend, traurig oder auch verletzt warst. Um tiefere Erkenntnisse über dich selbst zu erhalten, empfehle ich dir zu Anfang eine Situation zu wählen, die eine andere Person betrifft. Denn in deinen Gedanken über andere Menschen wirst du dich selbst leichter erkennen können. Solltest du momentan keine belastende Situation finden, kannst du zu Übungszwecken auch eine der hier gelisteten weitverbreiteten Überzeugungen verwenden.
Versetze dich nun in die Situation – wo bist du, was genau ist passiert? Welche Gedanken tauchen dabei auf, wenn du an diese Situation zurückdenkst? Und welche Emotionen lösen diese Gedanken in dir aus? Sei möglichst ehrlich und erlaube deinen Gefühlen, sich auszudrücken. Nehme die Situation so wahr, wie du sie zu dieser Zeit empfunden hast, – ohne etwas zu beschönigen oder abzuschwächen. Fülle in diesem Schritt das Arbeitsblatt „Urteile über deinen Nächsten“ aus, um die Gedanken zu identifizieren, die deine Wahrnehmung der Situation geprägt haben.
Im weiteren Verlauf werden wir jeweils mit nur einem einzigen dieser Gedanken durch den Prozess gehen. Spüre nach, welcher deiner Gedanken am prägnantesten ist und dich am meisten belastet. Das ist der Gedanke, den wir nachfolgend umkehren möchten.
In unserem Beispiel könnte eine Trennung für Person A beispielsweise bedeuten, dass sie nicht liebenswert ist, nun allein auf der Welt ist oder sich von Person B nicht verstanden fühlt. Diese Gedanken können dazu führen, dass Person A sehr unter der Trennung leidet und es ihr schwerfällt, sich von den negativen Emotionen zu lösen und wieder hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Hingegen könnte eine Trennung für Person B als Chance empfunden werden, seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen mehr Raum zu geben und neue Wege zu erkunden. Dies könnte auch mit Gefühlen der Euphorie oder neuer Lebensenergie einhergehen. Gleichzeitig könnte Person B auch mit Dankbarkeit auf die schöne gemeinsame Zeit zurückblicken.
Im weiteren Verlauf werden wir folgenden Gedanken beispielhaft hinterfragen und umwandeln:
„Mein Partner versteht mich nicht.“
Hinterfrage den Gedanken
Im nächsten Schritt wird der Gedanke mithilfe der folgenden vier zentralen Fragen von The Work hinterfragt:
- Ist das wahr? Spüre nach, welche Antwort aus deinem Inneren kommt. Antworte nur mit einem „Ja“ oder „Nein“. Wenn du nicht 100% sicher bist, ist die Antwort „Nein“. Ein, „Ja, aber…” ist ein auch ein „Nein“. Bei der Antwort „Nein“ gehe direkt zu Frage 3.
- Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
Kannst du mit 100%-iger Sicherheit wissen, dass es besser für dich wäre, wenn die Realität so wäre, wie du sie gerne hättest? Spüre noch einmal genau hin. Antworte nur mit einem „Ja” oder „Nein”. Gehe weiter zu Frage 3 (egal, wie die Antwort lautet). - Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
Welche Emotionen tauchen auf und wo spürst du es im Körper, wenn du den Gedanken glaubst? Wie reagierst du emotional, wie behandelst du dich selbst und andere in der Situation? Schenkt dir dieser Gedanke Frieden oder ist er schmerzhaft? - Wer wärst du ohne den Gedanken?
Wie würdest du in der Situation reagieren, wenn der Gedanke nicht da wäre? Wie würdest du dich ohne den Gedanken in der Situation fühlen? Wie lebst du dein Leben ohne den Gedanken?
Diese vier Fragen bilden das zentrale Element von The Work. Durch das ehrliche und tiefe Hinterfragen von Gedanken können wir unser Denken verändern und so neue Handlungsperspektiven schaffen.
Am Beispiel des Satzes „Mein Partner versteht mich nicht“ könnten folgenden Antworten auftauchen, wenn Person A mithilfe der 4 Fragen tiefer über diesen Gedanken reflektiert:
- Frage: Ist es wirklich wahr, dass B mich nicht versteht?
Mögliche Antwort: „Ja in der Situation fühlt sich das für mich so an, ist es für mich so.“ - Frage: Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass B mich nicht versteht?
Mögliche Antwort: „Nein, 100%ig sicher bin ich mir nicht.“ - Frage: Wie reagiere ich und wie fühle ich mich, wenn ich glaube, dass B mich nicht versteht.
Mögliche Erkenntnis: „Ich bin ziemlich enttäuscht und traurig. Ich möchte umso mehr, dass er mich versteht und aus Verzweiflung suche ich immer wieder aufs Neue das Gespräch mit ihm. Ich habe das Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Ich spüre, dass mein Herz im Gedanken daran rast und ich schwer atmen kann. Alles fühlt sich eng und ausweglos an.“ - Frage: Wer wäre ich und wie würde sich mein Leben ändern, wenn ich diesen Gedanken nicht hätte?
Mögliche Erkenntnis: „Ohne diesen Gedanken fällt es mir leichter, loszulassen. Ich erkenne, dass wir beide wieder glücklicher werden könnten, wenn jeder seinen eigenen Weg geht und ein Leben nach seinen Wünschen lebt. Das schenkt mir etwas Frieden und Hoffnung.“
Betrachte nun deinen eigenen zuvor identifizierten Gedanken und gehe selbst durch den Prozess. Beim Hinterfragen deines Gedankens ist es wichtig, dass du kein festes Ergebnis erzwingst. Lass den Verstand die Fragen stellen, bleibe dabei neugierig und spüre nach, welche Antworten aus deinem Inneren aufsteigen. The Work ist vielmehr ein meditativer als ein reiner Denkprozess. Halte deine Erkenntnisse auch gern schriftlich fest.
Kehre den Gedanken um
Im nächsten Schritt geht es darum, den ursprünglichen Gedanken umzukehren, um das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Zu dem Glaubenssatz sollen möglichst drei Umkehrungen gefunden werden: in Hinblick auf sich selbst, auf die andere Person sowie die Umkehrung ins äußerste Gegenteil.
Am Beispiel des Originalsatzes: „Mein Partner versteht mich nicht.“
zu sich selbst: Ich verstehe mich nicht.
zur anderen Person: Ich verstehe meinen Partner nicht.
ins Gegenteil: Mein Partner versteht mich nicht.
Bilde nun Umkehrungen für deinen persönlichen Glaubenssatz. Beziehe dich dabei immer wieder auf den ursprünglichen Ausgangssatz. Finde anschließend für jede Umkehrung mindestens drei konkrete Beispiele. Hierfür kannst du folgende Fragen zu Hilfe ziehen:
- Wie oder warum könnte diese Umkehrung auch wahr sein (in der Situation)?
- Wie oder warum könnte diese Umkehrung auch Sinn machen (in der Situation)?
- Finde ein weiteres Beispiel für die Umkehrung (sag den umgekehrten Satz).
Versetze dich in die Situation und spüre nach, welches Gefühl die neuen Sichtweisen in dir auslösen.
Gibt es eine Umkehrung, die sich für dich am stimmigsten anfühlt? Gib dieser Sichtweise gern noch einmal Raum und lasse sie auf dich wirken.
Fazit
Mit dem ersten Teil des Blogbeitrags konntest du bereits eigene einschränkende Gedanken erkennen, diese umkehren und neue Sichtweisen auf die jeweilige Situation entwickeln.
In Teil 2 des Beitrags zu The Work erfährst du, wie du diese neu gewonnenen Perspektiven in dein Leben integrieren kannst. Du erhältst zudem einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse aktueller Studien, die die Wirksamkeit von The Work belegen.
Nun wünsche ich dir erst einmal viele neue und tiefgehende Erkenntnisse!
Übrigens: Die 4 Fragen von The Work lassen sich leicht anwenden. Dennoch sind ein tiefes Verständnis und Erleben des Prozesses wichtig, um sicher mit ihnen arbeiten zu können. Gern begleitet dich unser Trainer Dirk Feddersen in unseren Einführungs- und Vertiefungsseminaren zu The Work durch den Prozess. So lernst du, die 4 Fragen und Umkehrungen richtig anzuwenden und erlebst die Kraft hinter The Work auch im Austausch mit anderen Teilnehmern.
Quellen
Katie, Byron & Mitchell, Stephen (2002): Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können. Goldmann Verlag.
Webquellen
Byron Katie International – Arbeitsblatt „Weit verbreitete Überzeugungen“
https://thework.com/wp-content/uploads/2018/02/universalbeliefs_german_03Aug2011_A4.pdf
Offizielle Website – The Work of Byron Katie
https://thework.com/sites/de/
The Work of Byron Katie – Eine Einführung (2013). Byron Katie International.
https://thework.com/wp-content/uploads/2019/02/The-Work-of-Byron-Katie-Little-Book-German.pdf
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