In Krisen die eigene Stärke finden

von | 24. Nov 2020

Jeder von uns wird in seinem Leben immer wieder an seine persönlichen Grenzen gebracht. Wachstum entsteht genau an diesen Grenzen – auch wenn wir uns meist wünschen, dass alles so weiter gehen möge, wie bisher. So hat sich beispielsweise durch Corona für uns einiges verändert, die Arbeit, die Art und Weise, wie wir mit unseren Freunden und Familie Kontakt haben, wie wir unseren Hobbys nachgehen usw. Oder die Konfrontation damit, dass andere darüber bestimmen, mit wem wir uns noch treffen dürfen, ob wir weiterhin arbeiten können und vieles mehr. Und natürlich beeinflusst Corona nicht nur jeden einzelnen von uns, sondern Entwicklungen auf globaler Ebene. Hungersnöte in ärmeren Ländern haben zugenommen, viele Länder sind vom Tourismus abhängig und das Einkommen vieler Menschen ist eingebrochen. Andere wiederum versuchen ihren Schmerz zu betäuben. Der Drogen- und Alkoholkonsum ist infolge Corona gestiegen – das zeigt eine aktuelle forsa-Umfrage im Auftrag der KKH (Kaufmännische Krankenkasse). Andere Studien belegen, dass psychische Störungen, häusliche Gewalt und Suizide zugenommen haben. Wir sind soziale Wesen und wollen selber entscheiden, wann und wie wir uns entwickeln. Die Auswirkungen von Corona bringen uns wieder mehr mit uns selbst in Kontakt.

Es würde zu kurz greifen, äußere Einflüsse für unser Erleben verantwortlich zu machen, aber letzten Endes, sind wir es, die entscheiden, wie wir mit dieser Krise umgehen. Und auch wenn es nicht leicht ist, können wir aus einer Krise zu lernen und das Beste für uns daraus zu machen. Wenn die Dinge schlecht laufen, haben wir schnell das Gefühl, dass sie für immer schlecht laufen. Wenn alles gut ist, haben wir oft das Gefühl, dass das für immer so ist. Das stimmt aber einfach nicht, denn unser aller Leben verläuft in Zyklen. Auf die Nacht folgt der Tag und dem Tag folgt die Nacht. Genauso wie dem Winter der Frühling folgt.

Doch dies ist noch nicht alles. Es sind nie die Umstände, die uns belasten, sondern, die Art und Weise, wie wir sie heute repräsentieren und über sie denken und fühlen.

– Warum sonst gibt es Menschen, die selbst in der größten Dunkelheit Licht sehen?

– Und solche, die selbst bei hellstem Sonnenschein Dunkelheit sehen?

Es ist die Bedeutung, die wir den Dingen geben, die uns zufrieden oder unzufrieden macht, darauf wies schon Epiktet hin.

„There is a crack, a crack in everything. That’s how the light gets in.“ – Leonard Cohen, aus dem Song „Anthem“

In allem ist ein Riss und so kommt das Licht hinein – Leonard Cohens Lieder sind voller Weisheit. Unsere Gedanken, unser inneres Erleben, beeinflusst die Art und Weise, wie wir sogar mit den widrigsten Umständen umgehen und wie wir letztlich aus Krisen gestärkt hervorgehen. Auch wenn du gerade das Gefühl hast, dass du an der Situation nichts ändern kannst, du kannst ihre Macht über dich beenden.

Wir möchten dir in diesem Artikel zeigen, wie Krisen verlaufen. Und stellen Fragen, die deine Gedanken in eine förderliche Richtung lenken und dich daran erinnern, wie stark du bist und wie du deine Stärke in dieser Zeit wiederfinden kannst.

Der erste Schritt Krisen zum Positiven hin zu verändern ist das Verständnis darüber, wie sie verlaufen. Die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross erklärt dies in ihrem 5-Stufigen-Phasenmodell auf verständliche Art und macht damit emotionale Ereignisse und unsere Reaktionen auf sie begreifbar. Das Modell wird oft als die fünf Phasen der Trauer bezeichnet, weil es aufzeigt, wie wir uns, wenn uns etwas Prägendes widerfährt vom „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ zur Akzeptanz bewegen.

Aus diesem Grund basieren viele Übungen zum Loslassen auch darauf, dass wir etwas letzten Endes erst akzeptieren müssen, um es gehen lassen zu können. Solange du Widerstand leistest oder innerlich leugnest, dass dir etwas Signifikantes passiert ist, wirst du nicht loslassen können. Elisabeth Kübler-Ross kam zu der Erkenntnis, dass alle Menschen die gleichen emotionalen Phasen durchlaufen, selbst wenn sie offen für den Wandel sind. Ihr Modell, das sie ursprünglich für Trauer entwickelt hat, können wir aber auf viele Veränderungsprozesse adaptieren.

1. Nicht-Wahrhaben-Wollen

In der Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens gibt es ihn noch – den Hoffnungsschimmer. Wenn beispielsweise Patienten eine ernste Prognose erhalten, reagieren sie oft mit Schock, Verleugnung, Empfindungslosigkeit und/oder körperlichen Beschwerden. Diese Symptome sind Abwehrmechanismen, die eine Akzeptanz verhindern.

Diese Menschen befinden sich dann in der ersten Phase, der Nicht-Wahrhaben-Wollen Phase. Es ist wahrscheinlich, dass wir selbst in dieser Phase erst einmal gar nichts an unserem Leben ändern wollen.

2. Wut

Wenn die Nicht-Wahrhaben-Wollen Phase endet und der erste Schock vorbei ist, zeigen sich häufig Gefühle wie Aggressionen, Wut, Zorn und Schuldzuweisungen. Hier wird auch zum ersten Mal die Frage nach dem „Warum?“ gestellt, „Warum passiert ausgerechnet mir so etwas?“, „Was habe ich falsch gemacht?“. Das alles ist Teil des Verarbeitungsprozesses.

Diese Phase kann auch ganz verdeckt auftreten. Sie kann sich z. B. darin zeigen, dass man es uns nicht recht machen kann.

3. Verhandeln

Die dritte Phase steht dafür, dass wir beginnen zu verhandeln – mit uns selbst, dem Schicksal, Ärzten, Gott und wer auch immer sonst in dieser Situation involviert sein mag.

Vielleicht, so sagen wir uns, können wir ja doch noch einen anderen Ausgang erzielen.

Es ist wichtig, dass wir anderen und auch uns selbst in dieser Phase auf der einen Seite nicht die Hoffnung nehmen, aber dass wir andererseits auch vermeiden falsche Hoffnungen zu entfachen. In dieser Phase ist es wichtig, zuzuhören, empathisch und klar zu sein.

4. Trauer & Resignation

In dieser Phase realisieren wir, was geschehen ist. Dass wir etwas verloren haben, was nicht mehr rückgängig zu machen ist. Hieraus können Depressionen, Ängste und Trauer entstehen.

Wir betrauern dann die Verluste, die wir erleiden mussten, wie den Verlust körperlicher Integrität, Verlust persönlicher und beruflicher Chancen, Verlust von nicht Nachholbarem und Wünschen, die wir uns in vergangenen Tagen nicht erfüllt haben. Außerdem trauern wir vielleicht um die vergebenen Chancen, einen anderen Ausgang zu finden. In dieser Phase ist es als Begleiter sehr wichtig zuzuhören und den Betroffenen so zu entlasten.

5. Akzeptanz

In der Phase der Akzeptanz haben wir, was auch immer geschehen ist, angenommen und wir werden ruhiger und beginnen nach vorne zu schauen. Die Akzeptanzphase ist eine Zeit der Innenschau, der Erholung, der Reflexion. Wir verarbeiten das Alte und bereiten uns auf Wachstum vor. Es werden Erfahrungen flektiert und integriert. Nun entscheidet sich auch, was wir gelernt haben.

Was auch immer geschehen ist, du kannst die Phasen schneller durchlaufen, wenn du dich selber annimmst und reflektierst, in welcher dieser Phasen du dich befindest. Und das kannst du z. B. tun, indem du dir die folgenden Fragen stellst.

Die allerwichtigste Frage, die du dir stellen kannst, in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis in deinem Leben ist:

– Welche Geschichte erzähle ich mir selbst darüber?

– Versuche ich mir gerade etwas schönzureden oder widersetze ich mich einer Tatsache, die offensichtlich ist?
– Habe ich etwas bereits akzeptiert oder kämpfe ich noch gegen etwas an?
– Welche Gefühle fühle ich?
– Habe ich noch Hoffnung? Habe ich Hoffnung darauf, dass die Geschichte noch anders ausgehen könnte?
– Versuche ich andere Menschen zu überzeugen, dass doch alles anders ist?
– Bin ich Opfer oder kann ich mein Leben wieder gestalten? Und wenn ja, wie?

Das Phasenmodell macht auch deutlich: Die wichtigste Aufgabe ist nicht herauszufinden, wie wir das alte wieder bekommen können, sondern, wie wir diese Zeit nutzen können, um gestärkt aus ihr hervorzugehen. Es geht also um 2 Dinge: den Verlust zu verarbeiten und zu akzeptieren und dann den Blick nach vorne zu wenden und das Leben neu und möglichst noch besser auszurichten.

Wenn du durch stressvolle Zeiten gehst, kannst du überhaupt erst realisieren, wie stark du bist. Und diese Stärke kannst du mitnehmen in das nächste Jahr, nach 2021, in das nächste Jahrzehnt, in die nächsten 20 Jahre usw. Mit diesen Stärken kannst du anderen besser helfen und wachsen.

– Wie kannst du den Stress der aktuellen Zeit nutzen, anstatt vom Stress gelenkt zu werden?
– Wie kannst du jetzt damit anfangen, etwas zu erschaffen, das hilfreich für dich ist?

Wenn du diese Fragen für dich beantwortest, wirst du erkennen, dass du auch in Krisen deine Stärke finden kannst, selbst wenn du vorübergehend durch eine Form von Niedergeschlagenheit und Aufgaben gehen musst. Und du musst das nicht alleine machen, wofür hat man Freunde und Familie – doch nicht nur für gute Zeiten? Und natürlich gibt es auch Bücher, Kurse, Onlineprogramme, Coaches und vieles mehr.

Teile deine Gedanken zu diesen Fragen mit uns in den Kommentaren.

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