Hypnose ist ein faszinierendes Thema, das oft von Missverständnissen und falschen Annahmen begleitet wird. Viele Menschen haben eine verzerrte Vorstellung von Hypnose, die hauptsächlich auf Bühnenshows und falschen Darstellungen in den Medien beruht. In diesem Artikel werden wir einige der häufigsten Mythen und falschen Annahmen über Hypnose beleuchten und die Wahrheit dahinter aufdecken.
Was ist Hypnose?
Bevor wir uns den Mythen zuwenden, sollten wir uns anschauen, was Hypnose eigentlich ist. Hypnose ist ein Trancezustand, der durch einen tief entspannten Wachzustand gekennzeichnet ist und in dem die Aufmerksamkeit extrem fokussiert ist. In einer hypnotischen Trance ist das Unterbewusstsein besonders empfänglich für Suggestionen. Eine hypnotische Trance wird durch Hypnose induziert. Als Hypnose wird also sowohl der Zustand als auch das Verfahren bezeichnet.
Hypnose wird schon seit langem bei verschiedenen körperlichen und psychischen Beschwerden eingesetzt. Die Forschung der letzten vier Jahrzehnte hat die Wirksamkeit von Hypnose unter anderem für die Behandlung von Schmerzen1, Ängsten2, Depressionen3 sowie beim Gewichtsmanagement4 oder der Raucherentwöhnung5 bestätigt.
Die fünf häufigsten Mythen über Hypnose
Trotz der umfangreichen und überzeugenden Evidenzbasis, die für die Anwendung und Wirksamkeit von Hypnose spricht, wird die Anwendung von Hypnose in der Medizin, Psychotherapie und auch im Coaching immer noch durch vorherrschende Mythen und falsche Annahmen behindert6. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung immer noch falsche Vorstellungen von Hypnose hat und an Mythen glaubt, die Ängste und Skepsis auslösen7. Die Menschen glauben, dass man während der Hypnose keine Kontrolle mehr hat, bewusstlos ist und dass der Hypnotiseur einen manipuliert und zu Antworten bzw. Verhalten zwingen kann. Auch wird derjenige, der hypnotisiert werden kann, als schwach angesehen oder mit anderen negativen Stereotypen belegt. Die negative Einstellung gegenüber und die falschen Vorstellungen von Hypnose sind vor allem auf die Darstellung in den Medien und Showhypnosen zurückzuführen.
Im Folgenden werden wir dir fünf weit verbreitete Mythen über Hypnose vorstellen und anhand wissenschaftlicher Fakten widerlegen.
Mythos 1: In Hypnose hat man keine Kontrolle mehr.
Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass sie in Hypnose die Kontrolle über ihre Gedanken und Handlungen verlieren. Es existiert die Vorstellung, dass man während einer hypnotischen Trance nichts mehr von seiner Umgebung mitbekommt und sich hinterher auch nicht mehr an das Geschehene erinnern kann. Laut einer Umfrage glaubten 60% der Teilnehmenden an diesen Mythos7.
In Wirklichkeit sind Menschen in Hypnose jedoch jederzeit in der Lage, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und sind nicht gezwungen, etwas zu tun, was gegen ihre Moral oder ihre Werte verstößt. Experimente8 zeigen, dass Personen, denen vermittelt wurde, dass sie eine hypnotisch induzierte Amnesie durchbrechen können, dies auch schaffen. Sie erinnerten sich also nach der Hypnose an die Wortliste, die während der Hypnose vorgelesen wurde, obwohl der Hypnotiseur sie aufforderte, diese zu vergessen. Personen hingegen, die nicht daran glaubten, dass sie die Kontrolle hätten, schafften es nicht, sich zu erinnern. Die Kontrolle, die man während einer Hypnose behält, hängt also vielmehr vom eigenen Mindset ab als von der Hypnose selbst.
Mythos 2: Der Hypnotiseur kann einen in Hypnose manipulieren.
Circa 40% der Befragten stimmten der Aussage zu, dass eine hypnotisierte Person alles mitmacht, was der Hypnotiseur vorschlägt und den Suggestionen während der Hypnose nicht widerstehen kann9. Viele Leute glauben also an einen blinden Gehorsam gegenüber dem Hypnotiseur und daran, dass der Hypnotiseur einen während der Hypnose dazu bringen kann, sich so zu verhalten, wie man sich nicht verhalten will, Geheimnisse preiszugeben oder nicht selbst entscheiden zu können, wann man aus der Hypnose erwachen will. Diese Macht, die der Hypnotiseur vermeintlich über seine Klienten hat, wird oft auch als wichtiger Wirkfaktor angesehen.
Tatsächlich zeigen Experimente10, dass Personen, denen gesagt wurde, sie könnten sich trotz tiefer Hypnose den Suggestionen des Hypnotiseurs widersetzen, auf 95% der Suggestionen nicht reagierten. Menschen sind also durchaus in der Lage, sich den Suggestionen eines Hypnotiseurs zu widersetzen. Während einer Hypnosebehandlung bei einem vertrauenswürdigen Hypnotiseur sollte es sowieso nicht dazu kommen, dass Suggestionen ethisch nicht vertretbar sind. Und von den hilfreichen Suggestionen, die der Hypnotiseur in der Trance macht, werden nur die angenommen, die die hypnotisierte Person ebenfalls als hilfreich und passend empfindet.
Forschungsergebnisse zeigen auch, dass die Wirksamkeit von Hypnose keineswegs von der Macht des Hypnotiseurs abhängt11. Vielmehr beeinflussen viele verschiedene individuelle Faktoren auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene die hypnotische Reaktion. Dies ist auch eine gute Überleitung zum dritten Mythos.
Mythos 3: Hypnose ist nur etwas für Schwache.
Ein weiterer Mythos besagt, dass nur Menschen mit schwacher Willenskraft oder Menschen, die leicht manipulierbar oder psychisch instabil sind, auf Hypnose reagieren und hypnotisiert werden können. Menschen glauben, dass Persönlichkeitseigenschaften wie Gehorsam, Leichtgläubigkeit oder der Wunsch zu gefallen, zu einer besseren Hypnotisierbarkeit führen und Hypnotiseure auf willens- und charakterstarke Menschen keinen Einfluss haben.
Tatsächlich kann Hypnose bei den meisten Menschen funktionieren, wenn sie bereit sind, sich darauf einzulassen und mit dem Hypnotiseur zusammenzuarbeiten. Die Hypnotisierbarkeit, also die Fähigkeit, in Trance zu gehen und die Suggestibilität, das heißt wie gut die Vorschläge des Hypnotiseurs angenommen werden, sind von Mensch zu Mensch verschieden und beeinflussen die Reaktionen auf Hypnose. Wie bereits erwähnt, hängt die Wirksamkeit der Hypnose jedoch von weitaus mehr Faktoren ab11. Beispielsweise spielen verschiedene biologische Faktoren eine Rolle wie die strukturelle Konnektivität, Hemisphären-Asymmetrie oder bestimmte Gehirnzustände eine Rolle. Auf psychologischer Ebene beeinflussen u.a. die Ergebniserwartung, die Einstellung gegenüber Hypnose, die Motivation und die Fantasiefähigkeit des Klienten die Ergebnisse von Hypnose. Eine Vielzahl von Faktoren hängt also mit der Einstellung und den Eigenschaften des Klienten zusammen. Darüber hinaus haben die Beziehung zwischen Hypnotiseur und Klient sowie die hypnotische Umgebung einen Einfluss auf die Ergebnisse. Die Annahme, dass Hypnose nur bei schwachen Menschen wirkt, ist also wissenschaftlich widerlegt.
Mythos 4: Hypnose ist nur Show und keine seriöse Therapiemethode.
Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass Hypnose lediglich eine Unterhaltungsmethode ist und keine ernsthafte therapeutische Anwendung hat. Dieser Mythos wird oft durch die Darstellung von Hypnose in Bühnenshows und Filmen verstärkt. Bei der Showhypnose werden Menschen dazu gebracht, steif wie ein Brett zu werden, ihren eigenen Namen zu vergessen, wie ein Huhn herumzulaufen oder Rasierschaum wie Eis zu essen. Erfolgreiche Showhypnosen beruhen auf einer gezielten Vorauswahl der Klienten und verschiedenen psychologischen Effekten, die für den Zuschauer nicht sichtbar sind. Dennoch können solche Showelemente den Eindruck erwecken, Hypnose sei nichts weiter als eine Illusion oder eine lustige Unterhaltung.
Tatsächlich wird Hypnose jedoch schon seit vielen Jahren erfolgreich als Therapiemethode eingesetzt. Nachdem die Hypnose in anderen Ländern wie den USA oder England schon seit Jahrzehnten als anerkannte Therapiemethode gilt, wurde sie 2006 auch in Deutschland als wissenschaftliche Behandlungsmethode in der Psychotherapie anerkannt. Damit reiht sie sich in die Reihe von anerkannten Verfahren wie Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychoanalyse und Systemische Therapie ein. Hypnose kann effektiv bei der Raucherentwöhnung, Gewichtsabnahme, Stressabbau, Angstbewältigung, Schmerzlinderung und vielen anderen Thematiken eingesetzt werden12. Auch in Kombination mit anderen Therapieformen kann Hypnose die Wirksamkeit von Therapien verbessern13. Außerdem kann Hypnose hilfreich sein, um bei medizinischen Behandlungen entspannt und schmerzfrei zu bleiben14. Hypnose ist also eine wissenschaftlich validierte, seriöse Methode, die bei der Behandlung und Bewältigung verschiedener Probleme helfen kann15.
Mythos 5: Hypnose kann bleibende Schäden verursachen.
Nachdem wir zu dem Schluss gekommen sind, dass Hypnose eine Wirkung hat, wollen wir uns einem letzten Mythos zuwenden. Hollywood-Darstellungen von Hypnose, in denen Menschen durch Hypnose dauerhaft manipuliert oder verändert werden, können die Annahme verstärken, dass Hypnose zu bleibenden Schäden oder Veränderungen bzw. zum Verlust der eigenen Persönlichkeit führen kann. Menschen sorgen sich davor, dass nach einer Hypnosesitzung ungewollte Veränderungen im Verhalten auftreten, Erinnerungen dauerhaft gelöscht sind oder sie nicht mehr sie selbst sind.
Wissenschaftliche Studien16 zeigen, dass Hypnose in sehr seltenen Fällen zu vorübergehenden negativen Effekten wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit oder einem steifen Nacken führen kann. Schwerwiegendere negative Auswirkungen wie chronische Psychopathologie, Krampfanfälle, oder das Wiederaufleben von Erinnerungen an frühere Traumata treten noch seltener und vor allem im Bereich der Showhypnose auf. Viel häufiger wurden positive Effekte der Hypnose beobachtet. Hypnose kann also gefahrlos eingesetzt werden, wenn sie von ausgebildeten Fachkräften in einem professionellen und verantwortungsvollen Umfeld durchgeführt wird.
Der Weg zur Aufklärung
Während die Verbreitung von und der Glaube an Mythen die Akzeptanz der Hypnose behindern und negative Einstellungen und Ängste hervorrufen, kann die Bereitstellung von Informationen die Einstellung zur Hypnose verbessern. Beispielsweise führte die Teilnahme an einem Hypnose-Training bei Psychologen dazu, dass ihre negativen Einstellungen zur Hypnose reduziert, ihre positiven Einstellungen verstärkt und neue positive Einstellungen gebildet wurden17. Wenn die Einstellung zur Hypnose verbessert werden kann, sind Menschen auch eher bereit, eigene Erfahrungen mit diesem Verfahren zu machen. Und ein eigenes Erleben von Hypnose, ist ebenfalls ein großer Schlüsselfaktor, um eine positive Einstellung zur Hypnose zu entwickeln und der Verbreitung von Mythen entgegen zu wirken18.
Die Wahrheit über Hypnose
Auf wissenschaftlicher Basis konnten wir die fünf häufigsten Mythen über Hypnose entmystifizieren und die Wahrheit dahinter aufdecken. Hypnose ist ein Trancezustand, in dem die Aufmerksamkeit extrem fokussiert ist und das Unterbewusstsein besonders empfänglich für Suggestionen wird. Während einer Hypnose behält man die Kontrolle über sein Denken und Handeln und entscheidet selbst, welche Suggestionen man annehmen möchte. Dabei spielt das eigene Mindset eine große Rolle. Hypnose kann bei den meisten Menschen erfolgreich angewendet werden. Dabei beeinflussen eine Vielzahl biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren die Wirksamkeit von Hypnose. Als wissenschaftlich anerkannte Therapiemethode, kann Hypnose bei einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Beschwerden hilfreich sein. Wird Hypnose in einem professionellen und verantwortungsvollen Rahmen angewendet, sind keine negativen Auswirkungen zu erwarten. Während Mythen und falsche Vorstellungen die Akzeptanz und Anwendung von Hypnose immer noch behindern, ist wissenschaftlich vielfach belegt, dass Hypnose wirksam ist und positive Auswirkungen hat. Eigene Erfahrungen mit und Wissen über Hypnose sind dabei der Schlüssel zu einer positiven Einstellung und zu einer vermehrten Nutzung der Hypnose als hilfreiche Methode in Coaching und Therapie.
Quellen:
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