Die Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit von Teams wird zunehmend zu einem wichtigen Thema. Coaches sind inzwischen nicht mehr nur gefragt, um einzelne Mitarbeiter zu unterstützen, sondern werden auch in Teamentwicklungsprozesse mit eingebunden. Dabei unterscheidet sich die Arbeit als Teamcoach wesentlich von der als Einzelcoach. Unsere Trainerin Katrin Lange berichtet aus ihren Erfahrungen als Trainerin und Teamcoach und gibt dir einen Einblick in die Arbeit als Teamcoach.
„Du bist doch Trainerin & Coach?! Ich glaube, wir bräuchten da mal so ein Teambuilding. Machst Du das auch?“ So oder ähnlich werde ich immer mal wieder von Freunden, Bekannten oder Teilnehmer*innen meiner Seminare gefragt. Meine Standardantwort lautet meist: „Ja, mache ich auch. Wann soll das Projekt denn starten und wie viele Mitarbeitende sind in dem Team?“ Schnell kommt dann die Gegenfrage, „Wieso starten? Wir arbeiten doch schon seit Jahren zusammen, aber seit wir diesen neuen Chef bekommen haben, gibt’s nur noch Probleme.“
Meistens unterbreche ich an dieser Stelle und versuche das Gespräch, falls wirklich Interesse an einer externen Unterstützung oder Prozessbegleitung für eine Arbeits- oder Projektgruppe besteht, zu einem späteren Zeitpunkt und in einem offiziellen Setting fortzuführen. In diesem Fall bedarf es erst einmal einer konkreten Auftragsklärung mit einem Entscheider, also meistens der Führungskraft, was eigentlich gewünscht ist – ein Teambuilding, ein Teamcoaching oder die Begleitung der gesamten Teamentwicklung? Zunächst ist zu klären, ob es sich überhaupt schon um ein „Team“ handelt, das hier unterstützt werden soll oder es eher eine Gruppe von Kolleg*innen ist, die schon seit Jahren zusammen in derselben Abteilung arbeiten? Was macht denn eigentlich ein Team aus? Oder anderes gefragt, gibt es Kriterien, die ein Team definieren? Meistens nutze ich dafür ein simples Beispiel und vergleiche eine Gruppe von Menschen, die an einer Bushaltestelle auf denselben Bus warten mit einer Fußballmannschaft vor einem Spiel. Die Gruppe an der Haltestelle ist kein Team. Sie warten zwar alle auf denselben Bus, verfolgen in der Regel jedoch individuelle Ziele, haben meistens ein unterschiedliches Erscheinungsbild, sprechen nicht immer dieselbe Sprache und nutzen keine gemeinsamen Ressourcen (wie z.B. einen Gruppenfahrschein). Ein Fußballteam dagegen trägt gleiche Trikots, die Spieler*innen haben klare Rollen, spielen auf bestimmten Positionen, übernehmen verschiedene Aufgaben im Team, und haben in der Regel ein gemeinsames Ziel – das Spiel, das auf eine bestimmte Zeitdauer begrenzt ist, für sich zu entscheiden. Und wie sagt man so schön, gewonnen und verloren wird zusammen, d.h. die Erfolge und die Verantwortung bzw. das Risiko wird von allen gleichermaßen geteilt.
Was ist eigentlich ein Team?
Wie oft scherzhaft gesagt wird, bedeutet T.E.A.M nämlich nicht – Toll, ein anderer macht’s – sondern dass idealerweise 1+1>=3 ist. Die wichtigsten Kriterien für ein richtiges TEAM sind – eine für eine definierte bzw. begrenzte Dauer angelegte Zusammenarbeit einer Arbeitsgruppe von 3-12 Menschen mit einem gemeinsamen Ziel, klarer Aufgaben- und Rollenverteilung, Nutzung gemeinsamer Ressourcen, einer gemeinsamen Kommunikation, Kultur und Identität – in der das Arbeitsergebnis am Ende größer ist, als die Summe der Einzelleistungen der Teammitglieder. Möchte man also aus einer Gruppe von zusammenarbeitenden Menschen ein gut funktionierendes Team formen, braucht es neben den o.g. Kriterien, vor allem Zeit und idealer Weise die Unterstützung durch einen erfahrenen Coach oder Prozessbegleiter, der das werdende Team in den jeweiligen Teamentwicklungsphasen professionell unterstützen kann.
Bei den meisten meiner Anfragen zu einem „Teambuilding“ geht es eher nicht darum, ein neues Team zu builden, sondern ein bestehendes Team wieder arbeits- bzw. leistungsfähig zu machen. Meist handelt es sich um eine punktuelle, individuelle Maßnahme – also um ein Teamcoaching, das dann eigentlich gefragt ist. Egal ob Teambuilding oder Teamcoaching, in beiden Fällen ist die Auftragsklärung ein wichtiger erster Schritt. Allerdings findet man sich im Teamcoaching in den meisten Fällen in einer Dreieckskonstellation wieder, da die Interessen und die Ziele von sogenannten Teamentwicklungsmaßnahmen sehr unterschiedlich zwischen dem Aufraggeber (meist die Führungskraft oder das Unternehmen), dem Team und seinen einzelnen Individuen und letztendlich dem Teamcoach interpretiert werden. Deshalb ist eine offene Kommunikation und Transparenz der Ziele und Bedürfnisse aller beteiligten Parteien unabdinglich. Wenn bei der Auftragsklärung für eine Teamentwicklungsmaßnahme die Interessen aller Beteiligten transparent kommuniziert werden und Entscheider sowie deren Unternehmen angemessene Zeitrahmen und Ressourcen für einen externen, professionellen Teamcoach zu Verfügung stellen, kann die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen sehr schnell erfolgreich werden bzw. können Dysfunktionalitäten bei bestehenden Teams zielorientiert und konstruktiv gelöst werden.
Rollen eines Teamcoaches
Als Teamcoach ist neben der Auftragsklärung das Rollenverständnis sehr wichtig, das sich in den jeweiligen Teamphasen unterscheidet. Dabei unterscheiden sich die Rollen, die ein Teamcoach ausfüllen sollte, je nach Teamphase. So fungiert ein Teamcoach in der Anfangsphase eines Teambuildings eher als netzwerkender Host oder Gastgeber, der die einzelnen Teammitglieder dabei unterstützt, sich selbst und andere im Team besser kennenzulernen, mit dem gemeinsamen Ziel vertraut zu werden oder es gemeinsam zu definieren und erste Vereinbarungen in der Zusammenarbeit zu treffen. Dabei kann ein Teamcoach unterstützend als neutraler Moderator oder Impulsgeber in diesem Findungsprozess im Rahmen eines Teambuildings agieren. Auch wenn sich zu Beginn der Zusammenarbeit alle Teammitglieder auf ein gemeinsames Team-Ziel einigen, kommen über kurz oder lang in jedem Team unterschiedliche Sichtweisen, Meinungen, Standpunkte und individuelle Eigenschaften immer mehr zum Vorschein. Nicht selten werden erste Anzeichen von individuellen Bedürfnissen übersehen oder nicht kommuniziert und es können sich schnell noch nicht sichtbare Konflikte zwischen einzelnen Teammitgliedern oder dem Team und der Führungskraft entwickeln, die sich durch Performancerückgang, Nichterreichung von Teamzielen oder Unzufriedenheit der Mitarbeitenden oder einen hohen Krankheitsstand zeigen. Die Leistungsfähigkeit des Teams sinkt und an dieser Stelle ist dann ein Teamcoach gefragt, der diesen Konflikt sichtbar machen und gemeinsam mit dem Team lösen kann. Selbst ein gut funktionierendes „Hochleistungsteam“ kann von der Unterstützung und Begleitung eines Teamcoaches profitieren, um z.B. die hohe Leistungsfähigkeit beizubehalten und gleichzeitig ein Überperformen oder Ausbrennen der einzelnen Teammitglieder proaktiv zu vermeiden. In diesem Fall agiert ein Teamcoach eher in der Rolle des wohlwollenden, individuellen Feedbackgebers bzw. Sparringspartners zur Evaluierung neuer Ideen oder Prozesse, die das Team dauerhaft und nachhaltig erfolgreich sein lassen. In den letzten Jahren und in zunehmend agiler gestalteten Arbeitswelten, finden sich Mitarbeitende immer öfter in unterschiedlichsten und zeitlich immer schneller verändernden Teamkonstellationen wieder. Arbeitsteams werden häufig über einen sehr kurzen Zeitraum von wenigen Wochen bzw. Monaten zusammengestellt. Deshalb kommt es nach sogenannten Hochleistungsphasen und erfolgreichen Projekten immer wieder zu Momenten, in denen Teammitglieder ihren alten, bisherigen Teams und den liebgewonnenen Strukturen und gemeinsamen Erfolgen nachtrauern. In dieser sogenannten Mourningphase brauchen Teams heutzutage immer häufiger die Unterstützung eines wertschätzenden, empathischen Teamcoaches, der dann das Team bzw. einzelne Teammitglieder dabei unterstützt, die individuellen als auch gemeinsamen Leistungen zu reflektieren, Erfahrungen sowie neu gewonnene Fähigkeiten wertzuschätzen und Abschied zu nehmen von einem erfolgreichen Projekt. Das macht es erst möglich, dass sich die einzelnen Teammitglieder ihrer Ressourcen und neu gewonnenen Erfahrungen bewusstwerden und sich gestärkt für neue Teamkonstellationen und Projektziele öffnen können.
Teams als Teamcoach begleiten
Das Aufgabenfeld eines Teamcoaches ist also sehr vielschichtig und abwechslungsreich. Teamcoaching setzt oft punktuell an, wenn es im Team zu Konflikten und Dysfunktionalitäten kommt. Ein Teamcoach moderiert dabei den Prozess der gemeinsamen Lösungsfindung, gibt Impulse und stärkt, ähnlich wie im Einzelcoaching, die Lösungskompetenz des Teams. Ziel eines Teamcoachings ist es, die Fähigkeit des Teams zu fördern, sich selbst zu helfen. Oft macht es Sinn im Laufe eines gesamten Teamentwicklungsprozesses Team- und Einzelcoachings zu kombinieren, denn nicht in allen Fällen ist das gesamte Team an einem Konflikt beteiligt oder von Dysfunktionalitäten betroffen. Ein guter Teamcoach braucht neben grundlegenden Coachingkompetenzen ein gutes und der entsprechenden Teamphase angepasstes Rollenverständnis sowie zusätzliche Kompetenzen in Gruppendynamik und Erfahrung in der Steuerung von Gruppenprozessen. Darüber hinaus hilft es, sich in dem Prozess als Coach persönlich zurückzunehmen und sich ganz in den Dienst der Gruppe zu stellen. Ein guter Teamcoach sollte keine eigene Agenda haben, doch die Ziele der einzelnen Beteiligten immer transparent machen können und eine klare Kommunikation schätzen. Der Teamcoach schafft den geschützten Raum und den zeitlichen Rahmen, den ein Team braucht, um für sich selbst den passenden Weg zu einem gemeinsamen Ziel zu finden. Als Teamcoach bist du Prozessbegleiter, Moderator, Feedback- und Impulsgeber und somit unersetzlich für jedes erfolgreiche Team. Möchtest du praxisnah ausprobieren, ob Teamcoaching bzw. die Arbeit mit Gruppen etwas für dich sein könnte?
Eine Auswahl an erprobten Methoden und Interventionen für das Teamcoaching kannst du selbst in unserem 2-tägigen Seminar Einführung ins Teamcoaching kennenlernen. Darüber hinaus wirst du selbst auch deine individuelle Rolle in einem Team reflektieren und lernen, gruppendynamische Prozesse aufmerksamer wahrzunehmen und mögliche Konflikte früher zu erkennen, sie sichtbar zu machen und gemeinsam mit dem Team zu lösen.
0 Kommentare