Vermutlich kennst du ChatGPT, Claude oder andere KI-Tools bereits. Vielleicht nutzt du sie bereits regelmäßig für private oder berufliche Aufgaben, als Ratgeber oder für schnelle Recherchen. Was die meisten Menschen – und vielleicht auch du – noch nicht gemacht haben, ist die KI als persönlichen Coach zu nutzen. Ein Coach, der dir rund um die Uhr zur Verfügung steht, immer Termine frei hat und dir hilft, deine Gedanken zu ordnen, Ziele zu schärfen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Du benötigst nur einen Zugang zu einer KI und gute Prompts. Mit den passenden Anweisungen kann KI dich dabei unterstützen, deine Gedanken zu strukturieren, Muster zu erkennen, Klarheit zu gewinnen, Probleme zu lösen, schwierige Gespräche vorzubereiten, deine Werte zu erforschen und Ziele zu formulieren und zu erreichen.
Einen kompletten Coach zu erstellen, benötigt einen sehr langen Prompt und eine spezifische Wissensdatenbank. Aber zum Glück kennen die gängigen Sprachmodelle die meisten Coachingansätze aus dem Internet und können bereits mit einfachen kurzen Prompts sehr gut helfen. Dieser Artikel zeigt dir konkret, wie das funktioniert.
Welche KI ist die Beste?
Für Selbstcoaching eignen sich die meisten Sprachmodelle. Zu Beginn sind diese vielleicht für dich passend:
ChatGPT ist vielseitig und besonders stark in strukturierter Gesprächsführung. Die Antworten wirken manchmal etwas mechanisch, aber für viele Coaching-Zwecke ist das Tool hervorragend geeignet. In der kostenlosen Version kannst du 30-50 Nachrichten pro Tag austauschen.
Copilot von Microsoft basiert auf ChatGPT und bietet dir eine besonders einfache Möglichkeit, mit Spracheingabe und -ausgabe zu arbeiten. Der große Vorteil: Auch in der kostenlosen Version gibt es keine Begrenzung bei der Anzahl der Nachrichten.
Claude zeichnet sich durch besonders durchdachte, nuancierte Antworten aus und hat oft ein besseres Verständnis für emotionale Kontexte. Für tiefgehende Selbstreflexion und das Ordnen komplexer Gedanken ist Claude eine ausgezeichnete Wahl. In der kostenlosen Version sind 5-20 Konversationen je 5 Stunden möglich.
Natürlich kannst du auch andere KI’s nutzen (Gemini, Grok, DeepSeek…). Erstelle dir einen (kostenlosen) Account bei einem dieser Anbieter und leg los. Du kannst natürlich auch mehrere KIs parallel nutzen und vergleichen, welche KI dir am besten liegt.
Die Anatomie eines guten Coaching-Prompts
Die Qualität der Ergebnisse hängt maßgeblich von deinen Anweisungen (Prompts) ab. Ein gut formulierter Prompt macht den Unterschied zwischen oberflächlichen Ratschlägen und wirklich transformativen Erkenntnissen. Hier sind die wichtigsten Aspekte:
Definiere die Rolle der KI
Sage der KI explizit, wer sie sein soll und welchen Coaching-Stil du bevorzugst. Statt einfach eine Frage zu stellen, beginne mit: „Du bist ein erfahrener Coach, der die sokratische Fragetechnik nutzt“ oder „Agiere als Experte für Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg“.
Gib ausreichend Kontext
Je mehr relevante Informationen du teilst, desto präziser kann die KI auf deine Situation eingehen. Beschreibe nicht nur das Problem, sondern auch den Hintergrund, deine bisherigen Lösungsversuche und deine Vermutungen über die Ursachen.
Statt: „Ich prokrastiniere ständig.“
Besser: „Ich prokrastiniere besonders bei Projekten, die keine klare Deadline haben und bei denen ich selbst die Struktur schaffen muss. Bei Aufgaben mit externem Druck funktioniere ich gut. Ich vermute, dass es mit Perfektionismus zusammenhängt, bin mir aber nicht sicher.“
Formuliere dein Ziel klar
Was möchtest du am Ende des Gesprächs erreichen? Ohne klares Ziel kann die KI nur vage Ratschläge geben. Statt „Hilf mir mit meiner Karriere“ schreib besser: „Mein Ziel ist es, einen konkreten Aktionsplan zu entwickeln, wie ich in den nächsten drei Monaten eine Beförderung erreichen kann.“
Nutze negative Anweisungen
Definiere auch, was die KI nicht tun soll. Beispiel: „Führe mich Schritt für Schritt durch den Prozess. Gib keine Liste von Fragen aus, sondern frage mich zu jedem Aspekt einzeln und warte auf meine Antwort.“
Prozesse statt Ratschläge
Die besten Ergebnisse entstehen, wenn du die KI nicht als Antwortmaschine nutzt, sondern als fragenden Sparringspartner. Statt „Was soll ich tun?“ besser: „Führe mich durch einen Reflexionsprozess, der mir hilft, selbst herauszufinden, was der richtige nächste Schritt ist. Stelle mir dazu gezielte Fragen.“
KI ist vergesslich
Künstliche Intelligenz kann zwar große Datenmengen verarbeiten, verliert aber im Verlauf eines Gesprächs den Überblick über frühere Prompts. Wenn du merkst, dass der Fokus verloren geht, wiederhole die wichtigsten Punkte noch einmal.
Dein Rahmen-Prompt für alle Coaching-Gespräche
Nutze diese Struktur als Rahmen für deine Prompts:
Du bist [Name oder Bezeichnung, z.B. Experte für sokratisches Fragen].
[Füge hier deinen spezifischen Prompt ein]
Führe mich Schritt für Schritt durch den Prozess. Stelle eine Frage und warte, bis ich antworte, dann stelle die nächste Frage. Gebe mir am Ende des Gesprächs eine Zusammenfassung.
Dieser Rahmen sorgt dafür, dass die KI dich wirklich durch einen Prozess begleitet, anstatt dir einfach eine Liste mit Ratschlägen zu präsentieren.
Praktische Beispiele für sofortige Anwendung
Ziele kraftvoll formulieren
Viele Menschen haben vage Vorstellungen davon, was sie erreichen möchten. „Ich will beruflich weiterkommen“ oder „Ich möchte gesünder leben“ sind keine Ziele, sondern Wünsche. Hier hilft dir die KI, Klarheit zu schaffen.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein erfahrener Coach. Ich möchte beruflich weiterkommen, aber mein Ziel ist noch sehr unscharf. Führe mich durch einen strukturierten Prozess, um mein Ziel zunächst zu konkretisieren und dann nach der SMART-Methode auszuformulieren. Stelle mir dazu zuerst Fragen zu meinem Ziel und dann nacheinander Fragen, um mein Ziel sinnesspezifisch, messbar, attraktiv und realistisch zu machen und mit einem Zeitrahmen zu versehen. Am Ende fasse mein Ziel in einem kraftvollen Satz zusammen, der mich emotional anspricht. Erstelle 3 Versionen.
Die KI wird dich nun durch einen Dialog führen, der dein vages „Ich will weiterkommen“ in ein konkretes, messbares und emotional ansprechendes Ziel verwandelt.
Prokrastination überwinden
Wenn du weißt, was du tun solltest, aber einfach nicht ins Handeln kommst, liegt das oft an inneren Widerständen, die dir nicht bewusst sind.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein Coach, der sich auf Verhaltensänderung spezialisiert hat. Ich habe mir vorgenommen, [dein Vorhaben einfügen], aber ich komme einfach nicht ins Handeln. Analysiere mit mir gemeinsam, welche inneren Widerstände mich blockieren könnten. Hilf mir mit gezielten Fragen, meinen Mustern, Ängsten und Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen. Entwickle dann mit mir einen konkreten Aktionsplan für die nächsten 7 Tage, bei dem jeder Schritt so klein ist, dass ich ihn unmöglich nicht tun kann. Berücksichtige dabei das Prinzip der minimalen Veränderung.
Die KI wird dich fragen, wann genau die Prokrastination auftritt, was du in diesen Momenten fühlst und denkst, und welche Befürchtungen möglicherweise dahinterstecken. Aus diesen Erkenntnissen entwickelt sie dann mit dir kleine machbare Schritte.
Schwierige Gespräche vorbereiten
Ob Gehaltsverhandlung, Konfliktgespräch oder wichtige Präsentation – die richtige Vorbereitung macht den Unterschied.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein Kommunikationsexperte. Ich bereite mich auf folgendes Gespräch vor: [Kontext, Teilnehmer, Ziel beschreiben]. Hilf mir, die Perspektiven aller Beteiligten zu verstehen – was sind ihre Interessen, Befürchtungen und möglichen Einwände? Entwickle dann mit mir eine Gesprächsstrategie, die verschiedene Szenarien berücksichtigt: Best Case, Worst Case und wahrscheinlichster Fall. Stelle mir Fragen, die mir helfen, mich mental und inhaltlich optimal vorzubereiten.
Die KI wird dich durch verschiedene Perspektiven führen und dir helfen, auch unangenehme Szenarien durchzuspielen, sodass du im echten Gespräch souverän reagieren kannst.
Entscheidungen treffen
Bei wichtigen Entscheidungen hilft es, verschiedene Perspektiven systematisch zu durchdenken.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein Entscheidungscoach. Ich stehe vor folgender Entscheidung: [Entscheidung beschreiben]. Führe mich durch einen umfassenden Entscheidungsprozess. Beginne damit, mir zu helfen, alle Optionen klar zu definieren. Erstelle dann eine Entscheidungsmatrix, bei der wir gemeinsam die relevanten Kriterien festlegen und gewichten. Berücksichtige dabei sowohl rationale Faktoren als auch meine Werte und Emotionen. Führe mit mir auch ein ’10-10-10-Gedankenexperiment‘ durch: Wie werde ich diese Entscheidung in 10 Minuten, 10 Monaten und 10 Jahren sehen?
Diese Methode hilft dir, über den Moment hinauszudenken und Entscheidungen zu treffen, die du auch langfristig nicht bereuen wirst.
Limitierende Glaubenssätze auflösen
Wir alle tragen Überzeugungen mit uns herum, die uns einschränken: „Ich bin nicht kreativ“, „Ich verdiene keinen Erfolg“, „Ich bin nicht gut genug“. Diese Glaubenssätze lassen sich systematisch hinterfragen.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein Coach, der mit kognitiver Umstrukturierung arbeitet. Ich glaube von mir: [limitierender Glaubenssatz einfügen]. Analysiere diesen Glaubenssatz systematisch mit mir. Frage mich zunächst nach konkreten Situationen, in denen ich diesen Glaubenssatz gebildet habe, und nach Momenten, in denen er sich bestätigt zu haben scheint. Identifiziere dann kognitive Verzerrungen in meinem Denken. Sammle anschließend mit mir systematisch Gegenbeweise – konkrete Momente und Beispiele, in denen das Gegenteil wahr war. Hilf mir abschließend, einen neuen, ermächtigenden Glaubenssatz zu formulieren, der realistisch ist und mich unterstützt statt einschränkt.
Die KI wird dich durch einen Prozess führen, der dir zeigt, dass deine limitierenden Überzeugungen oft auf selektiver Wahrnehmung basieren und nicht der Realität entsprechen.
Gewohnheiten nachhaltig ändern
Gewohnheiten zu ändern, scheitert meist nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung. Die KI kann dir helfen, die psychologischen Mechanismen hinter deinen Gewohnheiten zu verstehen.
Prompt-Beispiel:
Du bist ein Experte für Verhaltenspsychologie und Gewohnheitsänderung. Ich möchte folgende Gewohnheit ändern: [Gewohnheit beschreiben]. Führe mich durch einen Analyseprozess, der mir hilft zu verstehen, was diese Gewohnheit auslöst (Trigger), was genau ich tue (Routine) und welches Bedürfnis oder welche Belohnung ich dadurch befriedige. Stelle mir Fragen, die mir helfen, die verborgene Logik hinter diesem Verhalten zu erkennen. Was ist die eigentliche Belohnung, die ich suche – und welche gesünderen Wege gibt es, sie zu bekommen?
Statt einfach zu versuchen, mit einer Gewohnheit aufzuhören, hilft dir die KI zu verstehen, warum du sie überhaupt hast – und wie du das zugrundeliegende Bedürfnis auf gesündere Weise erfüllen kannst.
Fortgeschrittene Techniken
Die Meta-Ebene nutzen
Besonders wertvoll wird Selbstcoaching, wenn du die KI bittest, nicht nur auf den Inhalt zu achten, sondern auch auf den Prozess:
Achte während unseres Gesprächs auf Muster in meiner Sprache, auf Widersprüche zwischen dem, was ich sage und wie ich es sage, und auf Themen, die ich möglicherweise vermeide. Weise mich darauf hin, wenn dir etwas auffällt.
Die KI ihre eigene Antwort überprüfen lassen
KI-Antworten sind nicht immer korrekt. Wenn du Rat haben möchtest, bitte die KI um eine Überprüfung ihrer Aussage:
Überprüfe deine Antwort kritisch und korrigiere sie gegebenenfalls.
Zusammenfassungen einfordern
Nach einem längeren Coaching-Gespräch hilft es, eine Zusammenfassung zu bekommen:
Bitte fasse das Bisherige für mich zusammen, berücksichtige dabei besonders meine Muster, Herausforderungen und Lösungen.
Datenschutz: Was du beachten solltest
Anders als bei einem Therapeuten oder Coach gibt es bei KI keine gesetzlich geschützte Vertraulichkeit. Die meisten KI-Systeme speichern deine Konversationen. Hier einige wichtige Schutzmaßnahmen:
Nutze Privacy-Optionen: Viele Anbieter bieten Modi an, in denen Konversationen nicht für Training verwendet werden. Mache dich mit den Datenschutzeinstellungen deines gewählten Tools vertraut.
Anonymisiere systematisch: Ersetze Namen durch Platzhalter („Person A“, „mein Kollege“, „meine Partnerin“), ändere spezifische Details wie Orte, Firmennamen oder eindeutige Situationsbeschreibungen.
Arbeite mit Strukturen statt Details: Oft ist es gar nicht nötig, konkrete Zahlen oder Namen zu nennen. Statt „Ich verdiene 3.500 Euro und habe 15.000 Euro Schulden“ schreib einfach „Ich habe Schulden in Höhe von mehreren Monatsgehältern“.
Sei besonders vorsichtig bei:
- Gesundheitsinformationen
- Finanziellen Details
- Beruflichen Vertraulichkeiten
- Informationen über andere Personen
- Allem, was dich erpressbar machen könnte
Die meisten Coaching-Themen lassen sich auch mit anonymisierten Informationen hervorragend bearbeiten. Oft geht es ja gerade um die Muster und Strukturen – und die bleiben erkennbar, auch wenn du die äußeren Details verschleierst.
Die Grenzen der KI kennen
Keine KI ersetzt professionelle Unterstützung bei ernsthaften psychischen Problemen oder Krisen. KI-gestütztes Selbstcoaching kann dich auf deinem Weg zu persönlichem Wachstum und Selbstreflexion enorm unterstützen, aber es hat klare Grenzen. Wenn du merkst, dass du mit deinen Themen alleine nicht weiterkommst oder wenn es um ernsthafte psychische Belastungen geht, suche dir professionelle Hilfe bei einem Coach, Therapeuten oder Berater.
Dein erster Schritt
KI-Tools sind ein wertvolles Gegenüber, das dir rund um die Uhr zur Verfügung steht, um deine Gedanken zu ordnen, deine Ziele zu schärfen und deinen Weg zu mehr Klarheit und Selbstverständnis zu unterstützen.
Experimentiere mit den Prompts. Ergänze sie. Verändere sie. Kombiniere sie. Finde heraus, welche Art von Dialog dir am meisten hilft. Manche arbeiten besser mit Struktur, andere mit freiem Fluss. Vergleiche verschiedene KI’s und finde heraus, welche für dich am besten funktioniert. Es gibt keinen richtigen Weg – nur deinen Weg.
Fang einfach an. Öffne ChatGPT, Claude oder Copilot. Such dir ein Thema aus, das dich gerade beschäftigt. Nutze einen der Prompts aus diesem Artikel als Ausgangspunkt und passe ihn auf dich und dein Thema an.
Ich wünsche dir großartige Erfahrungen
Carsten


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